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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 18
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Heicke, C.: Die Gartenkunst in deutschen Mittel- und Kleinstädten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0271

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Die Gartenkunst
in deutschen Mittel- und Kleinstädten.

Von HeicKe, Frankfurt a. M.

1. Ein Beispiel, wie man es nidlt Mittel anwendet, um seine Blößen etwas zu

machen soll verdecken, so wird man darüber hinwegsehen,

_ wobei freilich auch festgestellt werden muß, daß

Auf keinem Gebiet ist der Nachahmungstrieb gerade nicht wenige dieser Orte in der Wür-
so groß, um nicht zu sagen so krankhaft, wie auf digung und Anwendung gärtnerischer Verschö-
dem der Verschönerung der Städte durch Garten- nerungsmittel einen sehr fortgeschrittenen Stand-
anlagen. Weil die Großstadt, in vielen Fällen punkt einnehmen. Ich habe sie hier auch gar
nur notgedrungen, zu diesem Mittel greift, um nicht im Auge. Ich denke mehr an jene behäbigen
ästhetische und andere Schäden einigermaßen Orte, die, auf eine alte Vergangenheit zurück-
auszugleichen, gilt es für die meisten Mittel- und blickend, in ruhiger Entwickelung noch so viel
Kleinstädte als selbstverständlich und zum guten alte Schönheit sich bewahrt haben, daß sie
Ton gehörig, auch hierin die Großstadt zu ko- gärtnerische „Verschönerungsmittel" gar nicht
pieren. Während nun z. B. des Bauwesens Be- brauchen. Das Geld, welches dafür ausgegeben
deutung und Verantwortung groß genug sind, wird, sollte man sparen, um so mehr, wenn ein
um einen sachverständigen Fachmann zu besol- solches hübsches Städtchen gar in reizvoller
den, führt die Geringfügigkeit der verfügbaren landschaftlicher Umgebung liegt.
Mittel, noch öfter aber die Unterschätzung der Aber wie gesagt, das krankhafte Streben, es
für die Betätigung im Gartenwesen zu stellenden der Großstadt in allem nachzutun, ist dort oft
Anforderungen in kleineren Städten dazu, die ebenso groß wie der Trieb des Wilden, der
Ausführung und Unterhaltung sogenannter sich einen Papierkragen um den Hals bindet, weil
öffentlicher Anlagen einem am Orte ansässigen er das beim Europäer gesehen hat, hinter dem
Kunst- und Handelsgärtner zu überlassen — er nicht zurückstehen will. Will eine solche Stadt
der Mann ist ja Gärtner und muß infolgedessen nicht darauf verzichten, hat sie überflüssiges Geld,
die Sache verstehen —, oder irgend eine sonst um sich auch Gartenanlagen leisten zu können,
bei der Verwaltung mitwirkende Persönlichkeit so sollte mindestens verlangt werden, daß man
fühlt sich berufen, den städtischen Verschöne- die Sache, für die man öffentliche Mittel veraus-
rungsrat zu spielen und mit Hilfe eines oder gabt, auch ernsthaft behandelt, anstatt dilettan-
einiger Gärtnergehilfen die Stadt mit seinen tenhaft das Geld für Verschönerungen zu ver-
Werken zu beglücken, ohne sich darüber klar zu schleudern, die man treffender Verschandelungen
sein, daß auch dazu wohl etwas mehr gehört nennen könnte.

wie nur der gute Wille. Das Übel, von dem hier die Rede ist, ist viel
So sieht man überall in deutschen Landen, weiter verbreitet, als man im allgemeinen denkt,
in unseren traulichen Mittel- und Kleinstädten Man mache nur auf Reisen die Augen auf, man
eine Verschönerungsseuche Platz greifen und sich wird seine Spuren überall finden. Es wäre ver-
in Formen äußern, die in der Großstadt glück- kehrt, wollte man nur mit einem Achselzucken
licher Weise längst überwunden sind, und daß daran vorbeigehen. In einer Zeit, wo Heimat-
ausgerechnet immer die schönsten Ecken, wo am schütz, Gartenkunst, Städtebau sich bemühen,
wenigsten „Anlagen" hingehören, gründlich da- das Gute, was wir in deutschen Landen haben, zu
durch verpatzt werden. Und es ist nicht ganz erhalten und das Neue, was wir hinzufügen, in
unberechtigt, wenn einer unserer bekanntesten anständige Formen zu kleiden, darf man auch
Maler den Ausspruch tat: Die Welt ist voll- gegenüber den Auswüchsen gärtnerischen Ver-
kommen überall, wo der Gärtner nicht hinkommt schönerungsdranges die Augen nicht verschließen,
mit seiner Qual. Man wünscht unwillkürlich die Die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und
Zeiten zurück, wo es in einem solchen Städtchen ihre Zeitschrift haben die Pflicht, nicht nur in
im Bereich der früheren Umwallung einige alte schönen Versammlungsvorträgen über erlaubtes
Baumreihen gab, für deren Pflege im Nebenamt und unerlaubtes Grün in den städtischen Straßen
der alte Totengräber genügte, Geranien, Alter- zu reden, sondern der Verschönerungs-Unkultur
nantheren, Kugelakazien, bunte Gehölze, Baum- zu Leibe zu gehen, wo sie sich bemerkbar macht,
schutzkörbe aus Streckmetall u. a. Greuel aber Das Festnageln von Beispielen ist viel wirk-
noch unbekannte Dinge waren. samer, wie Vorträge u. dergl., aus denen
Wenn ein in reizloser Gegend in wenigen jeder nur das zu entnehmen pflegt, was seinem
Jahrzehnten entstandener Industrieort solche Selbstgefühl schmeichelt, und mit dem ange-

Gartenkunst Nr. 18, 1914.

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