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Die Gartenkunst — 27.1914

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Nr. 20
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Heicke, C.: Zukunftsgedanken
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https://doi.org/10.11588/diglit.20974#0297

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Wenn wir uns nicht darauf beschränkt haben,
diese Kenntnis aus den Darstellungen fremder
Gärten in Wort und Bild zu schöpfen, so ent-
spricht das wieder deutscher Art und Gründlich-
keit. Man kann zu einer richtigen Würdigung
der Leistungen Anderer nur kommen, wenn man
sie an Ort und Stelle und im Znsammenhang
mit Anderer Sitten, Gewohnheiten und örtlichen
Verhältnissen prüft. Das bedingt nicht, dal? man
urteilslos alles Fremde anerkennen und auf-
nehmen wird.

Es ist jedenfalls nützlich gewesen, daß wir
gerade englische und französische Gärten noch
vor der jetzt eingetretenen Wendung besichtigen
konnten. Jetzt werden wir Zeit haben, unsere
Wahrnehmungen an Dem nachzuprüfen, was wir
an Eigenem in unserem Vaterlande besitzen, und
dessen Wert für die Fortentwickelung unserer
Kunst zu begutachten. Daß bei uns sehr vieles
vorhandene Gute bisher nicht beachtet wurde,
ist zuzugeben. Aber das lag nicht so sehr an
uns wie an der ganzen EntWickelung im ver-
flossenen halben Jahrhundert. Es mußte die in
ein falsches Gleis geratene Landschaftsgärtnerei
erst bis zum Äußersten verfahren sein, ehe der
natürliche Rückschlag nnd die Möglichkeit eines
gründlichen Umschwunges eintreten konnte. Wel-
che Gärten waren es denn, die bis noch vor gar
nicht langer Zeit unsere Beachtung fanden? Nur
die aus rein naturalistischer Auffassung ent-
standenen großen Parkanlagen! Was wir Wert-
volles an anderen besitzen, blieb, woran wohl
auch der Verfall vieler alter Gärten und die Ver-
wischung ihrer Grundzüge durch mißverstandene
Umgestaltung schuld ist, unbeachtet und wurde
übersehen. Groß-Sedlitz hat bis vor kurzem
mancher kaum dem Namen nach gekannt, nicht
zu gedenken der vielen guten Beispiele aus äl-
terer Zeit, auf die uns Hugo Koch in seiner „Säch-
sischen Gartenkunst", Konwiarz in „ Altschlesien ",
Zobel u. a. aufmerksam gemacht haben. Eine
wichtige Aufgabe der Deutschen Gesellschaft für
Gartenkunst wird es in den nächsten Jahren sein,
allem nachzuspüren und alles ans Licht zu ziehen,
was wir Wertvolles auf diesem Gebiet innerhalb
unserer Grenzen besitzen.

Indessen dürfen wir keinesfalls aus Selbst-
bewußtsein oder berechtigtem Gefühl der Ab-
neigung gegen unsere heutigen Kriegsgegner
künftig den Standpunkt einnehmen, der in man-
chen Äußerungen in der letzten Zeit zum Aus-
druck gekommen ist, daß wir von anderen nichts
mehr lernen könnten oder zu lernen brauchten.
„Das deutsche Volk wird sich geistig nicht ge-
eignet machen für die Rolle in der Welt, für die
jetzt das Blut seiner Söhne fließt, wenn es
gleichzeitig die ihm und nur ihm in dem Grade
eigene Fühlung für Kultur, auf welchem Grunde
sie gewachsen sein mag, abstumpft. Wer das
als höhere patriotische Tugend anspricht, tut

der Zukunft sicherlich keinen Dienst". (Gertrud
Bäumer in Heft 38 der „Hilfe" vom 17. IX. ds. Js.).

Gewiß wird erst wieder eine gewisse Zeit
vergehen müssen, ehe die durch den Krieg unter-
brochenen Beziehungen zwischen den Völkern
wieder hergestellt sind. Der Krieg hat Formen
angenommen und Gefühle gezeitigt, daß dies im
Augenblick fast aussichtslos erscheinen könnte.
Aber man soll bedenken, daß jeder Krieg einen
Frieden zum Ziel hat, und je rücksichtsloser und
nachdrücklicher der Krieg geführt wird, um so
dauernder wird der ihn beendigende Frieden sein.
Unter Schutt und Trümmern ist jetzt Vieles be-
graben, aber wenn dieser Schutt fortgeräumt
sein wird, wird man erkennen, daß doch trag-
fähige Grundmauern geblieben sind, auf denen
sich weiter bauen läßt, und daß die Fäden und
Leitungen, welche die Völker untereinander ver-
knüpfen, zwar gestört und verschüttet, aber nicht
vernichtet sein werden. Gerade unsere Aufgabe
als der voraussichtlichen Sieger wird es sein,
diese Grundmauern und verbindenden Leitungen
wieder frei zu legen, ihre Tragfähigkeit und
Dauerhaftigkeit zu prüfen und soweit nötig, neue
herzustellen.

Wir haben der Welt und uns selbst gegen-
über die Verpflichtung — und sie wird um so
größer sein, je nachhaltiger unsere Überlegenheit
durch den Krieg nachgewiesen wird — die Bahnen
für den Austausch auf allen Kulturgebieten wieder
frei zu machen, wie es die Zukunft des Menschen-
geschlechtes erfordert. Wir müssen uns dessen
auch unter den heutigen Verhältnissen bewußt
bleiben, wenn wir die Führerrolle, zu der wir
uns berufen glauben, in ihrer ganzen Größe und
Bedeutung erfassen und die Erfolge, die sich für
uns daraus ergeben sollen und müssen, in Wirk-
lichkeit ernten wollen. Ganz von selbst versteht
es sich, daß wir uns dabei freihalten von allem
kleinlichen Eigennutz und der Rücksicht auf augen-
blickliche Geschäftsgewinne. Nur von großen
Gesichtspunkten aus läßt sich die Aufgabe, die
uns gestellt ist, lösen. Und wir können uns auch
hier auf Worte beziehen, die Naumann in Cöln
gesprochen hat:

„Was andere uns taten, das sollen wir nun
den anderen tun! Gebt weiter! Tragt euren ge-
schichtlichen Dank ab, auch wieder an Völker
und Kinder und Kindeskinder; sowie die Deutschen
eine Philosophie geschaffen, die sozusagen heute
von allen gebraucht wird, eine Musik, eine Me-
thode des Kanonengusses, so haben die Deutschen
noch vieles vor, was sie weiter geben sollen."

Diese Worte, die Naumann dem Deutschen
Werkbund zur Richtschnur mit auf den Weg gab,
sollten auch von uns in der gegenwärtigen und
kommenden Zeit beherzigt werden. Nicht aus
Liebe zu unseren Gegnern, sondern zu unserem
eigenen Nutzen!

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