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Dazu die endlosen Scherereien, die Streitigkeiten zwischen
den Zünften und zwischen den Mitgliedern einer Zunft,
Verbietungsrechte, Unehrbarerklärungen, Gezänk aller-
wegen, sowohl in der eigenen Stadt, als mit zuwandernden
Händlern, mit den auf den Dörfern sitzenden „Bönhasen“
und „Störern“, zwischen Meistern und Gesellen und so
weiter.

Die Handwerksgesellen mußten wandern. Es kamen daher
viele Fremde ins Land, um hierzu lernen. Aber den Meistern
schien es bedenklich, sie gut auszubilden, da sie oft den An-
spruch erhoben, am Orte Meister zu werden oder das Er-
lernte in die Fremde trugen. Gerade dem Tüchtigen wurde
die Ansiedlung durch allerhand Maßnahmen erschwert. Er
soll eine Meisterswitwe oder -tochter heiraten, dabei dem
Handwerk unmäßige Gastereien geben, sich in Schulden
stürzen: sei es doch den anderen ebenso ergangen!

Schon erklang der Ruf nach Einführung des freien Wett-
bewerbs oder doch nach Umgestaltung der zur Bevorrech-
tigung Weniger führenden Gewerbegesetze; man forderte
Gewerbefreiheit, wie sie Deutschland erst in den 1860er
Jahren einführte, als ein Mittel zur Hebung des Könnens
und der Wirtschaftlichkeit. Auch hier griffen die Volkswirte
ein. Marperger schrieb ein Buch über die Zünfte, sowohl um
sie als notwendig zu verteidigen, als auch, um sie zu höheren
Aufgaben zu führen. Leib forderte, wie schon gesagt, eine
Manufakturakademie, in der jungen Handwerkern die in den
Zunftwerkstätten nicht zu erlangende höhere Ausbildung
gegeben werden sollte. Das wichtigste aber schien ihm, die
wirtschaftliche Lage des Standes zu heben. Marperger unter-
suchte die Schwierigkeiten, die sich aus den Kreditverhält-
nissen ergaben. Der Kaufmann oder Handwerker, der „jäh-
lings“ Geld braucht, war gezwungen, einen Pfandleiher in
Anspruch zu nehmen. Aber der Geschäftsbetrieb der Leih-
häuser war oft in wucherischen Händen: der Entleiher
mußte doppelt, ja dreifach soviel Wert in Waren hinterlegen,

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