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nicht hervor, etwa solche von der Wucht der Bauernauf-
stände in der Reformationszeit. Selbst das Handwerk lebte
still dahin. Die Anregungen zur Besserung seiner Lage kamen
von Außenstehenden. Die Volkswirte waren es, die Maß-
nahmen zu allgemeinem Nutzen, wohlüberlegte Anordnun-
gen zur Unterstützung der schaffenden Kräfte, Einflußnahme
des Staats zur Steigerung der Warenerzeugung forderten.
Man nannte solche anregende Männer Projektemacher
und zeigte im Volke selbst anscheinend wenig Lust, ihre Ge-
danken zu verwirklichen. Daß es viel Elend im Lande gab,
ist unverkennbar, auch wenn man die wirtschaftlichen Zu-
stände nicht vom Gesichtspunkt der Theologen beurteilt,
denen die Klage über das irdische Jammertal geläufig war.
Im Mittelalter hatte die Kirche die Aufgabe übernommen,
der leidenden Welt zu helfen. Sie setzte die Askese als
einen ihrer Grundpfeiler ein, den Verzicht auf irdisches Gut
und dessen damit zur Pflicht gewordene Hingabe an die
Kirche, als der Mittlerin unter den Menschen. Die Armut
wurde damit eine Vorstufe zur Heiligung, fast eine Bedingung
für diese. Der auf die Genüsse des Lebens verzichtende,
nur in der Heiligung seiner selbst dem Weltganzen dienende
Mönch war eine der entscheidenden gesellschaftlichen Er-
scheinungen. Die Leiden der Menschheit galten als Folgen
der natürlichen Sündhaftigkeit, des Hängens am Irdischen,
der Arme als der dem Himmelreich näher Stehende, der
Reiche nur insoweit, als er sich zum guten Werk, also zum
Opfer bereitfand. Man unterstützte die Armen als Brüder
in Gott, weniger um ihrer selbst, als um des eigenen Seelen-
heiles willen, indem man der Kirche die Leitung des Wohl-
tätigkeitswerkes überließ. Wohl wurde die „Nachfolge
Christs“ von Thomas van Kempis in der Übersetzung Arndts
wieder viel gelesen, gewann sie Einfluß auf die Anschau-
ungen der Protestanten pietistischer Richtung: das Suchen
nach innerer und äußerer Ruhe, die grübelnde Hingabe, das
Vertiefen in das eigene Seelenleben, die „Philantie“, die

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