Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Harth, Dietrich [Hrsg.]
Die Erfindung des Gedächtnisses — Frankfurt am Main, 1991

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2940#0015
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gedächtnisbilder und Erinnerungsspu

Das Magazin und die Schlüssel
Jedes Buch ist ein künstliches Gedächtnis, ein Magazin der
Bilder und Zeichen. Es Hegt verschlossen da, und der Leser
- darauf spielt die Metapher an - muß sich Eingang und
Zugang zum Sinn der magazinierten Dinge verschaffen. Er
bedarf, mit anderen Worten, eines passenden Schlüssels,
vielleicht sollte man eher sagen: eines ganzen Bundes zier-
licher Schlüssel, aus dem er- der Passepartout ging vor lan-
ger Zeit schon verloren - auswählen kann.
Eine Anthologie - und dieses Buch will nichts anderes
sein - ist ein Magazin von besonderer Art, zu dem sich ein
Schlüssel bereits in der Buchgattung findet. Denn die Über-
setzung von „Anthologie" lautet „Blütenlese". Wobei zu
bedenken ist, daß der zweite Teil des Kompositums -
„-lese" (-logie) - sowohl das Sammeln als auch den Genuß
des im Magazin ausgestellten Sammelgutes bezeichnet. Für
den Magazineur war die „Lese" bereits ein abenteuerlicher,
manchmal auch mühseliger Gang durch das große europäi-
sche Labyrinth philosophischer Leitbegriffc und -bilden
Was er auf diesem Gang ausgewählt und wie er es ausgestellt
hat, das mag dem ersten Leserblick das Bild eines mit
Scherben übersäten Zeittunnels bieten. Doch ist hier nichts
wirklich festgelegt. Die chronologische Ordnung der Text-
fragmente schreibt keinen linearen Fahrplan vor. Vielmehr
ist dieses Buch wie ein polygonaler Raum - vielleicht wie
eine nahrhafte Wabe oder eine Bibliothek mit scheinbar
wahllos aufgeschlagenen Büchern auf den Tischen -, ein
Raum, der nicht nur viele Eingänge besitzt, sondern dazu
einlädt, nach Belieben zu springen, zu schlendern, in ,süs-
 
Annotationen