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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Die Erfindung des Gedächtnisses — Frankfurt am Main, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.2940#0109
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JOHANN GUSTAV DROYSEN
Die Nacht der Vergangenheit
mit Gedankenbildern erleuchten*

Beginnen wir damit einzusehen, daß wir an die Geschichte
herantretend uns nichts weniger als unbefangen verhalten,
daß wir sofort eine Menge von Voraussetzungen mit heran-
bringen, sowohl sachlichen wie methodischen, wie wir
denn selbst, jeder einzelne, recht eigentlich ein historisches
Ergebnis, durch Erziehung, Bildung, Gewohnheit, Vor-
urteil mit einer unermeßlichen Fülle von Vorstellungen
bestimmt sind, deren unbewußte Durchdringung und Zu-
sammenfassung die geistige Fülle unseres Ich, das Organ
unseres Wollens und Könnens bilden.
So wie diese Erfüllung dieses Ich, so ist der ganze reiche
Inhalt unseres Volks, unserer Zeit, das sagt sich jeder, ein
geschichtliches Ergebnis, und zunächst nur in diesem ihrem
Ergebnis ist die Vergangenheit unvergangen; sie ist ideell in
diesem ihrem Ergebnis. Und in analoger Weise war es jedes
frühere Zeitalter, jedes frühere Volk, jede frühere Gegen-
wart.
Gleich hier begegnet uns eine große methodische Schwie-
rigkeit. Allerdings nennen wir die Geschichte objektiv ei-
nen Verlauf von Dingen. Wir sprechen von historischer
Entwicklung, von organischem Zusammenhang, von Ursa-
chen und Folgen, und beachten kaum, wie viel wir aus der
antizipierten Kunde des Resultats hineintragen in den ob-
jektiven Verlauf der Dinge: Bald theologische, bald philo-
sophische Voraussetzungen führen uns unbewußt dazu,
letzte Zwecke, allgemeine Prinzipien, Bestimmungen eines
Weltplanes usw. nachzuweisen, in dem das Ganze erst Halt
* Historik I §i (1857)
 
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