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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Die Erfindung des Gedächtnisses — Frankfurt am Main, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.2940#0079
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FRANCIS BACON
Vom Nutzen des künstlichen Gedächtnisses
für die Wissenschaften*

Die Behaitungskunst oder die Kunst, etwas im Gedächtnis
zu verwahren, teilen wir in zwei Lehren, nämlich in die
Lehre von den Beihilfen des Gedächtnisses und in die Lehre
vom Gedächtnis selbst. Die Beihilfe des Gedächtnisses ist
allerdings das Schreiben, und es ist daran zu erinnern, daß
das Gedächtnis ohne diese Beihilfe weitläufigeren und weit-
gehenden Dingen nicht gewachsen sei und auf keine Weise,
außer durch das Schreiben unterstützt, für gültig angenom-
men werden müsse. Welches auch vornehmlich in der Phi-
losophie durch Beispiele und in der Erklärung der Natur
stattfindet, denn man kann weder die Berechnungen eines
Tagebuchs durch das bloße Gedächtnis, ohne das Schrei-
ben, zustandebringen noch können die angeborenen und
bloßen Kräfte des Gedächtnisses zur Erklärung der Natur
hinreichen, wofern nicht eben dieses Gedächtnis durch or-
dentliche Tabellen unterstützt wird.
Allein auch mit der Ubergehung der Naturerklärung,
welche ein neuer Zweig der Gelehrsamkeit ist, kann für die
alten und allgemein bekannten Wissenschaften beinahe
nichts nützlicher sein, als eine gute und gründliche Beihilfe
des Gedächtnisses, das ist eine richtige und gelehrte Samm-
lung von Gemeinplätzen (loci communes). Doch ist mir
nicht unbekannt, daß die Übertragung dessen, was wir lesen
oder lernen, auf Gemeinplätze von einigen der Gelehrsam-
keit zum Schaden angerechnet wird, daß sie nämlich den
Fortgang des Lesens aufhalte und das Gedächtnis zur Träg-
heit reize. Weil es jedoch eine fälschliche Sache ist, in den
De Dignitate et Augmentis Scientiarum V, 5 (1623)
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