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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Die Erfindung des Gedächtnisses — Frankfurt am Main, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.2940#0061
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MARCUS TULLIUS CICERO
Die Geburt der Mnemonik aus dem Strafgericht*

Ich bin nicht ein so großer Geist [sagte Antonius] wie The-
mistokles es war, daß ich mir lieber die Kunst der Verges-
senheit als die des Gedächtnisses wünschen sollte, und ich
weiß es dem Simonides1 aus Keos Dank, daß er, wie man
sagt, zuerst die Kunst des Gedächtnisses gelehrt hat. Man
erzählt nämlich, Simonides habe einst zu Krannon in Thes-
salien bei Skopas, einem begüterten und vornehmen Mann,
gespeist und ein auf ihn gedichtetes Lied gesungen, worin er
vieles nach Art der Dichtung zur Ausschmückung auf das
Lob des Kastor und Polydeukes eingestreut hatte; Skopas
habe hierauf gar zu knickerig zu Simonides gesagt, er werde
ihm nur die Hälfte der ausbedungenen Summe für dieses
Lied geben, die andere Hälfte möge er sich, wenn es ihm
beliebe, von seinen Tyndariden erbitten, die er eben so sehr
gelobt habe. Bald darauf, erzählt man weiter, wurde dem
Simonides gemeldet, er möchte herauskommen; zwei junge
Männer ständen vor der Tür, die ihn dringend zu sprechen
wünschten. Er erhob sich von seinem Sitz, ging hinaus, sah
aber niemand. In der Zwischenzeit stürzte das Zimmer, wo
Skopas speiste, zusammen, und er mit den Scinigen wurde
durch den Einsturz unter den Trümmern begraben und kam
um. Als nun die Angehörigen diese zu bestatten wünschten
und die Zerschmetterten durchaus nicht unterscheiden
konnten, soll Simonides dadurch, daß er sich erinnerte,
welchen Platz jeder bei Tisch eingenommen hatte, allen ge-
zeigt haben, wen jeder zu begraben habe. Durch diesen
Vorfall aufmerksam gemacht, erzählt man, machte er da-
mals ausfindig, daß es besonders die Ordnung sei, die dem
:; De oratore II, 35i-}6o(sf v.u.Zt.)
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