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Harth, Dietrich [Editor]
Die Erfindung des Gedächtnisses — Frankfurt am Main, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.2940#0095
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tet und plötzlich, wenn auch nur Stückweise, realisirt sieht?
Muß sie einem solchen Traum nicht zujauchzen und ihn
umarmen, wie Adam die Eva umarmte: da sie in ihm das
Gebilde ihrer selbst, das Geschöpf ihrer süssesten Augen-
blicke, die Frucht ihrer geheimen Liebe gewahr wird? Sehen
Sie, m. Fr., daher kommen die Anstaunungen, die plötz-
lichen und oft so angenehmen, so tiefahndenden, so gewal-
tigen Sympathien, daher kommt das weissagende Göttliche
des ersten Eindrucks. Kein zweiter Eindruck kann es uns
geben: er schwächt nur die Wollust des Ersten und decom-
ponirt das Gemälde. So lange die Seele sich den ersten
Traum wahrmacht, schwebt sie gleichsam im Elysium der
Kindheit; ist der Traum aufgelöst, so sind leider! die Götter
Menschen worden; sie baut den Acker und nährt sich mit
Kummer und Schweiß des Angesichts. Merken Sie inson-
derheit, daß bei wohlorganisirten Menschen dergleichen
Erinnerungen meistens schön, aber wild, romantisch, oft
überspannt sind - gerade wie die Eindrücke und Gefühle
der Jugend. Kranke Leute behalten Ideen des Schmerzes,
schwache Leute Gefühle der Mühe und der Lästigkeit aus
frühen Gefühlen der Art, die sich ihnen eindrückten. Viel-
leicht wurden manche begeisterte Helden und Schwärmer
durch ein hitziges Fieber dazu in der Kindheit gebildet, da-
von ihnen Ideen blieben. Diese kommen zu gewissen Zeiten
in Stunden der Schwachheit, des plötzlichen Ueberfalls,
wenn die Seele nicht auf ihrer Hut ist und ihre Gedanken
gleichviel womit combinirt, wieder, sie kommen oft wieder
und werden herrschende Gefühle. Ich könnte Ihnen frap-
pante Exempel davon erzählen; mit denen wir aber zu weit
abkämen. Bemerken Sie Verliebte und Wahnsinnige, inson-
derheit traurig-Verliebte und sanft-Wahnsinnige, sie wer-
"en die Macht erster Eindrücke, die ganze Jugend ihrer
jeele in allen Zügen ihrer Gemälde sehn, in allen Klagen
ihrer Verirrung hören. Ja bemerken Sie nur Ihre eigne Seele
*n Träumen. Da sind wir alle dergleichen Verirrte. Nach
 
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