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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0074

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ches Leben, wenn es anders Leben heißen mag, der Vernich-
tung gleich scheinen: weil es, um sich in einen solchen Zustand
hineinzudenken, doch überhaupt etwas denken muß, Denken
aber ein Reflectiren enthält, welches selbst nur in der Zeit ge-
schehen kann. - Die Bewohner der andern Welt werden daher
so vorgestellt, wie sie nach Verschiedenheit ihres Wohnorts
(dem Himmel oder der Hölle) entweder immer dasselbe Lied,
ihr Hallelujah, oder ewig eben dieselben Jammertöne anstim-
men (XIX, 1-6.; XX, 15): wodurch der gänzliche Mangel
alles Wechsels in ihrem Zustande angezeigt werden soll.

Gleichwohl ist diese Idee, so sehr sie auch unsre Fassungs-
kraft übersteigt, doch mit der Vernunft in praktischer Bezie-
hung nahe verwandt. Wenn wir den moralisch-physischen
Zustand des Menschen hier im Leben auch auf dem besten Fuß
annehmen, nämlich eines beständigen Fortschreitens und An-
näherns zum höchsten (ihm zum Ziel ausgesteckten) Gut: so
kann er doch (selbst im Bewußtsein der Unveränderlichkeit
seiner Gesinnung) mit der Aussicht in eine ewig dauernde Ver-
änderung seines Zustandes (des sittlichen sowohl als physi-
schen) die Zufriedenheit nicht verbinden. Denn der Zustand, in
welchem er jetzt ist, bleibt immer doch ein Übel verglei-
chungsweise gegen den bessern, in den zu treten er in Bereit-
schaft steht; und die Vorstellung eines unendlichen Fortschrei-
tens zum Endzweck ist doch zugleich ein Prospect in eine
unendliche Reihe von Übeln, die, ob sie zwar von dem größern
Guten überwogen werden, doch die Zufriedenheit nicht Statt
finden lassen, die er sich nur dadurch, daß der Endzweck end-
lich einmal erreicht wird, denken kann.

Darüber geräth nun der nachgrübelnde Mensch in die My-
stik (denn die Vernunft, weil sie sich nicht leicht mit ihrem
immanenten, d.i. praktischen, Gebrauch begnügt, sondern
gern im Transscendenten etwas wagt, hat auch ihre Geheim-

Blauschwarze Schwaden, niedrighängende, zogen nach Po-
len Galizien Rumänien, wo das Land an den Bäumen
schwarz wurde, das Vieh auf den Weiden starb, die Men-
schen sich nach Westen wandten. Im leeren Osten schäumte
die grüne Flut über der abgetragenen Erde.

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