dieser Mönch mit dem finsteren, ausdruckslosen Blick, in dem
farblosen Antlitz festgefroren? Dieses Mädchen, das ...? Die
drei blicken zu deinem Fenster hinauf. Die letzten. Dieses
Mädchen mit den grauen Augen, Stupsnäschen und tätowier-
ten Lippen. Dieses Mädchen, das beim Gehen leicht den bun-
ten Stoff ihrer Röcke bewegt und daraus Licht und Schatten
entstehen läßt. Du siehst die drei an. Sie sehen dich an. Du
weißt, es sind die letzten.
Zwischen der Gewöhnlichkeit des Ereignisses und der Un-
durchdringlichkeit des Mysteriums rufst du die Vernunft zu
Hilfe, damit sie dich vor beiden Extremen rette. Du befindest
dich in Paris. Von Mexico aus gesehen hast du deinen Descar-
tes falsch gelesen; eigentlich sagte er, daß die Vernunft, indem
sie sich selbst genügt und uns nur Kunde von sich selbst gibt,
eine armselige und schlechte Vernunft ist. Und nun versetzt
du Descartes mit Pascal: Der Mensch ist so notwendigerweise
verrückt, daß es verrückt wäre, nicht verrückt zu sein: so ist die
Drehung der Vernunftschraube. Und indem du an Pascal
denkst, denkst du an den alten Erasmus und sein Lob der Tor-
heit, das die vorgeblichen Absolutismen der vergangenen und
der gegenwärtigen Welt relativiert: Dem Mittelalter entwindet
Erasmus die Gewißheit der unveränderlichen Wahrheiten und
der verkündeten Dogmen: für die Moderne bringt er den Ab-
solutismus der Vernunft und die Herrschaft des Ichs auf eine
ironische Proportion zurück. Die erasmische Torheit bietet
dem Menschen durch den Menschen selbst Schach, der Ver-
nunft durch die Vernunft, und nicht durch die Sinne oder den
Teufel. Aber sie ist auch das kritische Bewußtsein einer Ver-
nunft und eines Ichs, die von niemandem getäuscht werden
wollen, nicht einmal von sich selbst.
Jenseits der Hebriden rissen die Wellen dampfend auseinan-
der, entließen gähnend Dunstwolken. Neue Massen schwemm-
ten herüber, kochten füllten die Spalten. Heller und heller von
einer unsichtbaren Quelle wurde es von Woche zu Woche
über der brandenden Kampfstraße. Durch Glimmen und Däm-
mer fuhren unaufhörlich die Blitze. Endloser Regenguß, brül-
lender Donner.
179
farblosen Antlitz festgefroren? Dieses Mädchen, das ...? Die
drei blicken zu deinem Fenster hinauf. Die letzten. Dieses
Mädchen mit den grauen Augen, Stupsnäschen und tätowier-
ten Lippen. Dieses Mädchen, das beim Gehen leicht den bun-
ten Stoff ihrer Röcke bewegt und daraus Licht und Schatten
entstehen läßt. Du siehst die drei an. Sie sehen dich an. Du
weißt, es sind die letzten.
Zwischen der Gewöhnlichkeit des Ereignisses und der Un-
durchdringlichkeit des Mysteriums rufst du die Vernunft zu
Hilfe, damit sie dich vor beiden Extremen rette. Du befindest
dich in Paris. Von Mexico aus gesehen hast du deinen Descar-
tes falsch gelesen; eigentlich sagte er, daß die Vernunft, indem
sie sich selbst genügt und uns nur Kunde von sich selbst gibt,
eine armselige und schlechte Vernunft ist. Und nun versetzt
du Descartes mit Pascal: Der Mensch ist so notwendigerweise
verrückt, daß es verrückt wäre, nicht verrückt zu sein: so ist die
Drehung der Vernunftschraube. Und indem du an Pascal
denkst, denkst du an den alten Erasmus und sein Lob der Tor-
heit, das die vorgeblichen Absolutismen der vergangenen und
der gegenwärtigen Welt relativiert: Dem Mittelalter entwindet
Erasmus die Gewißheit der unveränderlichen Wahrheiten und
der verkündeten Dogmen: für die Moderne bringt er den Ab-
solutismus der Vernunft und die Herrschaft des Ichs auf eine
ironische Proportion zurück. Die erasmische Torheit bietet
dem Menschen durch den Menschen selbst Schach, der Ver-
nunft durch die Vernunft, und nicht durch die Sinne oder den
Teufel. Aber sie ist auch das kritische Bewußtsein einer Ver-
nunft und eines Ichs, die von niemandem getäuscht werden
wollen, nicht einmal von sich selbst.
Jenseits der Hebriden rissen die Wellen dampfend auseinan-
der, entließen gähnend Dunstwolken. Neue Massen schwemm-
ten herüber, kochten füllten die Spalten. Heller und heller von
einer unsichtbaren Quelle wurde es von Woche zu Woche
über der brandenden Kampfstraße. Durch Glimmen und Däm-
mer fuhren unaufhörlich die Blitze. Endloser Regenguß, brül-
lender Donner.
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