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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0201

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Wir finden kaum Trost etwa in der Idee, daß ein „göttlicher
Geist" oder die „Buddha-Natur" von einem Atomkrieg unbe-
rührt bleiben. Wie überzeugend derartige Bilder auch sein mö-
gen, sie entspringen der menschlichen Phantasie. Theologen
aller Konfessionen müssen sich fragen lassen, ob es moralisch
vertretbar ist, solche Grundsätze des geistigen Überlebens
trotz Vernichtung der ganzen Menschheit aufzustellen.

Um den nuklearen Weltuntergang abzuwenden, müssen wir
uns ganz auf die tragenden Schwingungen und Zusammenhän-
ge des gelebten Alltags einlassen. Zur Rettung der Welt müssen
wir uns mit dem verbunden fühlen, was vor unserer endlichen
individuellen Lebensspanne war und was danach sein wird.

3. Die Menschheit kann nur als Gattung überleben - oder ster-
ben. Atomwaffen sorgen für ein gemeinsames Schicksal aller,
erzwingen mit technischen Mitteln die Einheit der ganzen
Menschheit.

Diese Bötschaft des gemeinsamen Schicksals betrifft sowohl
den einzelnen Menschen als auch ganze Nationen, besonders
die beiden Supermächte. Die Vereinigten Staaten und Rußland
sind zugleich Terroristen und Geiseln: Wie bei Flugzeugent-
führungen sprengen sie sich beim Einsatz ihrer Waffen selbst
mit in die Luft.

Das gemeinsame Schicksal veranschaulicht auf beispiellose
Weise, daß die Probleme der atomaren Rüstung und des
Überlebens selbst ganz pragmatischer Natur sind. Zugleich
verweist es uns auf eine nicht lediglich individuelle, sondern
kollektive Menschlichkeit, auf eine neue Ethik der gegenseiti-
gen Verantwortung, und trägt so zur psychischen und morali-
schen Ausprägung eines „Gattungsselbst" bei. Wenn sich
Pragmatismus und moralische Phantasie verknüpfen, mögen
die Vereinigen Staaten und Rußland von ihren Feindbildern
abrücken (der wahre „Feind" beider ist die nukleare Vernich-
tung) und statt dessen im Sinne der engagierten Überlebens-
partnerschaft denken.

4. Wir glauben, daß die Menschen durch eine gemeinsame An-
strengung jenen Bewußtseinswandel herbeiführen können, der
für ihr Überleben unabdingbar ist.

Angesichts der wachsenden nuklearen Arsenale und der ihren
Aufbau fördernden dubiosen wechselseitigen Unterstellungen

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