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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0211

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blem der Genesis geschickt umgeht. Allerdings stößt es auf
einen schwerwiegenden theoretischen Einwand. Bei der Ex-
pansion und Kontraktion des Universums nimmt das Verhält-
nis zwischen Photonen und Kernteilchen (genauer gesagt, die
Entropie je Kernteilchen) aufgrund einer gewissen Reibung
(der sogenannten „Massenviskosität") in jedem Zyklus gering-
fügig zu. Soweit wir wissen, müßte das Universum also bei
jedem neuen Zyklus mit einem anderen, geringfügig erhöh-
ten Verhältnis zwischen Photonen und Kernteilchen begin-
nen. Im Augenblick ist diese Verhältniszahl groß, aber nicht
unendlich, so daß man kaum annehmen kann, daß das Uni-
versum zuvor eine unendliche Reihe von Zyklen durchlaufen
hat.

Doch wie auch immer all diese Probleme gelöst werden mö-
gen und welches kosmologische Modell sich auch immer als
zutreffend erweisen mag - für uns wird es nicht besonders
tröstlich sein. Der Vorstellung, daß wir ein besonderes Ver-
hältnis zum Universum haben, daß unser Dasein nicht bloß
eine Farce ist, die sich aus einer mit den ersten drei Minuten
beginnenden Kette von Zufällen ergab, sondern daß wir ir-
gendwie von Anfang an vorgesehen waren — dieser Vorstellung
vermögen wir Menschen uns kaum zu entziehen. Ich befinde
mich, während ich diese Worte niederschreibe, auf dem Heim-
flug von San Francisco nach Boston, 10000 Meter hoch über
Wyoming. Die Erde unten wirkt sehr freundlich und anhei-
melnd: hier und da ein paar Wolken, die wie Flaumfedern aus-
sehen, Schnee, den die untergehende Sonne in rötliches Licht
taucht, Straßen, die das Land in gerader Linie durchschneiden
und die kleinen Städte miteinander verbinden. Man begreift
kaum, daß dies alles nur ein winziger Bruchteil eines überwie-
gend feindlichen Universums ist. Noch weniger begreift man,
daß dieses gegenwärtige Universum sich aus einem Anfangs-
zustand entwickelt hat, der sich jeder Beschreibung entzieht
und seiner Auslöschung durch unendliche Kälte oder uner-
träglicher Hitze entgegensteht. Je begreiflicher uns das Univer-
sum wird, um so sinnloser erscheint es auch.

Doch wenn die Früchte unserer Forschung uns keinen Trost
spenden, finden wir zumindest eine gewisse Ermutigung in der
Forschung selbst. Die Menschen sind nicht bereit, sich von Er-

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