NS 59.
1821.
Heidelberger
Jahrbücher der Literatur.
Bilder der Natur und des Menschenlebens von G. C# Bkaun. Wiesbaden,
bei Schellenberg» 4 sh Rh.
Unter diesem Titel will der Verf., längst nicht nnrühmlich
bekannt durch die Epopöe »Hernxßiin der Cherusker« so
wie durch den dramatischen Versuch » Raphael Sanzio « sei-
nen Freunden (wohl auch dem grösseren Publikum) eine
Sammlung von Gedichten und Schilderungen darbieten,
» Wie sie an Rheines stillbewegter Welle
Dem Sänger die Naiur in’s Herz gegeben.«
Durch diese Aeusserung scheint der Beurtheilung zunächst der
Standpunkt angewiesen, aus welchem sie die dargebotenen Ga-
ben zu betrachten hat* Die mpisten beziehen sich wirküch nur
auf den angedeuteten Schauplatz und sind durch dessen Schön-
heiten und Denkmäler in des Dichters Seele erzeugt worden.
Sie haben daher auch meistens nur ein beschränkteres Interesse,
das indels für den, der jene herrliche Natur geschauet hat oder
gar darin iebt, oft ties ergreisend ist. Wenige enthalten All-
gemeineres, Was daher den poetischen Gehalt derselben be-
trifft; so wird er vorzüglich in der Gemüthlichkeit zu suchen
seyn, womit jene Besonderheiten aufgefasst, in der Kunst, wo-
mit sie an ein Höheres angeknüpft, und in der Form, in wel-
cher sie dem Beschauer dargestellt wurden. In allen drei Rück-
sichten lässt sich ein gewisser poetiucher Sinn nicht vcrkennen;
dennoch muss Rec. gestehen, dass er das tiefer gehende Talent,
in welchem reiches, vieläeitiges Gesühl und heitere Geistesan-
sicht zu fruchtbarer Ergreifung des Lebens wie der Natur sich
verbindet, iim in wahrhast göttlicher Seherkraft Verborgenes zu
eröffnen und nie Gehörtes (wenigstens so noch nicht Gehörtes)
dem Biicke darzustellen und dem Ohre zu verkünden, in vor-
liegenden Bildem nicht gefunden hat. Vieles ist mit zu all-
gemeinem Gefiihle aufgefasst, an zu Gewöhnliches und längst
und. oft Gesagtes angereihet, in zu unbedeutender, mitunter
selbst in unangenehmer Gestalt hingestellt. Warum doch Viele
gar zu gern jede Empfindung, welche die »Saiten ihres Gemüths
etwäs lauter rührt, jeden Gedanken, der etwas lebendiger den
Geist durchzieht, Andern als eine Gabe, werth der goldenen
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1821.
Heidelberger
Jahrbücher der Literatur.
Bilder der Natur und des Menschenlebens von G. C# Bkaun. Wiesbaden,
bei Schellenberg» 4 sh Rh.
Unter diesem Titel will der Verf., längst nicht nnrühmlich
bekannt durch die Epopöe »Hernxßiin der Cherusker« so
wie durch den dramatischen Versuch » Raphael Sanzio « sei-
nen Freunden (wohl auch dem grösseren Publikum) eine
Sammlung von Gedichten und Schilderungen darbieten,
» Wie sie an Rheines stillbewegter Welle
Dem Sänger die Naiur in’s Herz gegeben.«
Durch diese Aeusserung scheint der Beurtheilung zunächst der
Standpunkt angewiesen, aus welchem sie die dargebotenen Ga-
ben zu betrachten hat* Die mpisten beziehen sich wirküch nur
auf den angedeuteten Schauplatz und sind durch dessen Schön-
heiten und Denkmäler in des Dichters Seele erzeugt worden.
Sie haben daher auch meistens nur ein beschränkteres Interesse,
das indels für den, der jene herrliche Natur geschauet hat oder
gar darin iebt, oft ties ergreisend ist. Wenige enthalten All-
gemeineres, Was daher den poetischen Gehalt derselben be-
trifft; so wird er vorzüglich in der Gemüthlichkeit zu suchen
seyn, womit jene Besonderheiten aufgefasst, in der Kunst, wo-
mit sie an ein Höheres angeknüpft, und in der Form, in wel-
cher sie dem Beschauer dargestellt wurden. In allen drei Rück-
sichten lässt sich ein gewisser poetiucher Sinn nicht vcrkennen;
dennoch muss Rec. gestehen, dass er das tiefer gehende Talent,
in welchem reiches, vieläeitiges Gesühl und heitere Geistesan-
sicht zu fruchtbarer Ergreifung des Lebens wie der Natur sich
verbindet, iim in wahrhast göttlicher Seherkraft Verborgenes zu
eröffnen und nie Gehörtes (wenigstens so noch nicht Gehörtes)
dem Biicke darzustellen und dem Ohre zu verkünden, in vor-
liegenden Bildem nicht gefunden hat. Vieles ist mit zu all-
gemeinem Gefiihle aufgefasst, an zu Gewöhnliches und längst
und. oft Gesagtes angereihet, in zu unbedeutender, mitunter
selbst in unangenehmer Gestalt hingestellt. Warum doch Viele
gar zu gern jede Empfindung, welche die »Saiten ihres Gemüths
etwäs lauter rührt, jeden Gedanken, der etwas lebendiger den
Geist durchzieht, Andern als eine Gabe, werth der goldenen
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