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Hartung: Religion der Römer.

Doch abgesehen von diesen Beschränktheiten mufs an un-
seren Verfasser eine höchstlöbliche Selbstständigkeit, verbunden
mit grofser Wahrheitsliebe, gepriesen werden. ln Wahrheit,
Herr H. ist ein Selbstdenker, und sein Forschungsgeist kennt
heine Autoritäten. Nirgends wird mit Vorliebe irgend einem
grofsen Namen gehuldigt , sondern eine und dieselbe Notabilität
der neuern Philologie gewinnt jetzt seinen Beifall, ein andermal
trifft sie sein unumwunden ausgesprochener Tadel. Eine so männ-
liche Unabhängigkeit verdient alle Ehre, und Ref. erweiset sie
ihr mit wahrer Freude; und wenn er das Verdienstliche dieses
Werkes, wo nicht im Ganzen, so doch in manchen Einzelheiten
gern und willig anerkennt, so fürchtet er von einem solchen
Schriftsteller hinwieder auch den Verdacht oder Vorwurf der
Partheilichkeit oder unreinen Absichtlichkeit nicht, wenn er sich
ganz freimütbig im Voraus darüber erklärt, dafs er mit vielen
Grundsätzen und Ansichten des Verfs., ja mit dem Geist und
Tone seines Buches gröfstentheils sich nicht vertragen kann.
Herr H. ist ein tüchtiger Grammatiker, und hat davon in
mehreren nützlichen und werthvollen Schriften bündige Beweise
geliefert. Wenn er aber nun die Förderung der Mythologie und
Religionsgeschichte zu sehr in blos grammatischen Forschungen
sucht, so giebt dies seinem Buch eine grofse Trockenheit, die
gegen die lebendige und seelenvolle Art, womit solche Gegen-
stände behandelt seyn wollen, sehr unangenehm absticht. Mit
den Zangen der Grammatik lassen sich wohl Götter- und Heroen-
namen und Cultusformeln ans Licht der Welt ziehen ; aber um
jene Wesen nun auch zu beseelen , sie in sprechende Handlung
zu versetzen, dazu gehören andere Kräfte. Solche aus Beseelung
der Natur und aus den Bedürfnissen des Herzens geborne Wesen
der antiken Religionen sollen vom Mythologen aus den Elementen
jener Natur und aus der Denk- und Sinnesart der Vorwelt, die
sie geglaubt und angebetet ,* aufs Neue ins Leben gerufen werden.
Dazu gehört eine Gewandtheit des Geistes, ein Reproductions-
vermögen, eine Assimilationskraft, wie ich sie in diesem Buche
mit Bedauern vermisse. Mit dem Herüberziehen von Parthien
aus den sogenannten römischen Antiquitäten und mit der äusser-
lichen Beschreibung von Cultushandlungen , wie sie hier, zum
Theil sogar aus der Compilation des Maternus von Cilano, gege-
ben werden , treten uns die Personalitäten des römischen Pantheon
noch nicht anschaulich gegenüber; und ist uns noch nicht gehol-
fen, wenn wir nun auch das Walten jener italischen Junonen und
 
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