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Schriften über die Wandmalerei der Alten

Tempel befindliche aedicula gewesen sey, mit welchem Recht
könnte daraus geschlossen werden, das die Gemälde des Polygnot
und Aristoclides nicht auf der Wand gewesen seyen? Mit dem-
selben Rechte könnten wir schliefsen: weil in der Kirche des heil.
Franciscus in Assisi am Hauptaltar und an den Seitenaltären Ge-
mälde auf Leinwand und auf Holz sind , so können in dieser Kir-
che keine Frescogemälde seyn, oder umgekehrt: weil in der
Kirche del Carmine zu Florenz eine der Kapellen von Mas^ccio
a fresco gemalt ist, so können in dieser Kirche keine Gemälde
auf Leinwand seyn. Doch wir sehen voraus, Herr Rochette, der
seinen Gegnern so oft vorwirft, dafs sie ihre in den Kirchen,
Klöstern und Pallästen Italiens gebildeten Ideen auf das griechi-
sche Alterthum übertragen, wird uns solche Analogien nicht gel-
ten lassen. Dies veranlafst uns, hier eine Bemerkung auszuspre-
chen, die uns bei Lesung von Herrn Rochette’s Werk mehr als
einmal aufgestofsen ist. G. Hermann nennt auf der ersten Seite
seines Programms ebenso einfach als wahr drei Quellen, aus de-
nen die Archäologie zu schöpfen hat: ipsorum contemplatio su-
perstitum monumentorum ; testimonia literarum, indagatio eorum
quae rei cujusque natura vel fert vel poscit. Hätte Herr Rochette
der dritten dieser Quellen, die ihm ebensogut bekannt ist, als die
zwei ersteren, mehr Rücksicht geschenkt, er würde diejenigen
Behauptungen, welche die Grundpfeiler seines Systems ausma-
chen , um ein Bedeutendes ermäfsigt haben. Denn seine Argu-
mentation ist ohngefähr immer diese: wir wissen von Polygnot,
Zeuxis und Protogenes, dafs sie auf Holz gemalt haben, folglich
müssen sie das immer gethan haben; wir wissen, dafs im Tempel
zu Delphi eine eigene aedicula mit Holzgemälden war, folglich
können die Wände nicht bemalt gewesen seyn; die Römer ent-
führten drei Jahrhunderte lang aus Griechenland die schönsten
Gemälde, diese waren alle auf Holz, folglich gab es keine (histo-
rische) Gemälde auf den W7änden. Yor solchen Schlüssen würde
er bewahrt worden seyn , wenn er den so natürlich sich darbie-
tenden Analogien der neuern Kunst einigen Werth beigelegt hätte.
Wir können ebenso sagen, seit drei Jahrhunderten werden Ge-
mälde aus Italien ausgeführt, und alle sind auf Leinwand, aber
Niemand wird daraus schliefsen wollen, dafs es darum in Italien
keine Wandgemälde gebe. Ebensowenig wird es Jemand bei-
gehen zu leugnen, die Stanzen im Vatican, die berühmte Kuppel
in Parma, oder die Aurora im Pallast Rospigliosi seyen nicht von
Rafael, Correggio oder Guido Reni, weil diese Meister in über-
 
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