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Griechische Literatur.

dafs du sein gedenkst? Welch wunderbares Geheimnifs, das
mich umschwebt? Klein bin ich und grofs, niedrig und erhaben,
sterblich und unsterblich, ein Geschöpf der Erd’ und des Him-
mels. Jenes hienieden , Dies mit Gott; Jenes im Fleisch, Dies
im Geist. Mit Christus mufs ich begraben seyn , mit Christus auf-
erstehen , mit Christus erben, Gottes Sohn, Gott selbst.« —
Wie man hier unter Rednerllitttern achtes Gold findet, und
zugleich sieht, was nachzuahmen und was zu vermeiden ist, so
ist es auch auf der andern Seite interessant, Gregor’s wahrem
Charakter nachzuforschen, der durch Beschränkung und Vorur-
theil, wie durch einen Nebel hindurchschiramert. Damals war
keineswegs eine Zeit ruhiger Forschung und gegenseitiger Duld-
samkeit. Zwar hatte, nach langen und grausamen Kämpfen, end-
lich unter Constantin die neue Religion gesiegt; aber die Gegen-
partei war keineswegs vernichtet oder hoffnungslos. Kaiser Julian
selbst, ausgezeichnet durch Geist und Muth, erhob sich öffent-
lich als ihr Vorkämpfer, nachdem er lange Zeit, an dem ver-
ächtlichen Hofe des Constantius, seinen Hafs gegen das Christen-
thum mit seinem abschreckenden Äussern, seinen Mönchen, sei-
nen Asceten, seinen unter sich selbst hadernden Theologen, im
Stillen genährt, und dagegen an dem heitern Anblick der alten
Götter, wie Sänger und Bildner sie dargestellt, sowie an den
Meisterwerken griechischrömischer Geschichtschreibung und Phi-
losophie, sich erquickt hatte. Einsichtsvoll und scharfsichtig, wie
er war, nahm er gute Einrichtungen der Christen willig an, aber
im Ganzen betrachtete er sie als Schwärmer, deren Unwissenheit
und Intoleranz er durch Nichtachtung, beschämen müsse. Er ver-
schlofs ihre Kirchen nicht, eröffnete aber die Tempel wieder;
Viele strebten nach Märtyrerhronen, aber er belächelte diese Thor-
heit, wie er sie schalt, und bestrafte nur wirhliche Ruhestörer.
(M. s. Joh. v. Müllers Allgetn. Gesch. I. Bd. S. 490-—49ff) So
hoffte er den Gährungsstoff zu neutralisiren, die Streitpunkte
friedlich auszugleichen, und nach und nach den Glanz alterthüm-
licher Bildung wiederherzustellen. Ein chimärischer Plan, dessen
Scheitern vorauszusehen war, und der die Erbitterung der Chri-
sten nicht so sehr hätte erregen sollen, als es wirklich geschah.
Namentlich unser Bischof nennt Julians, von aller Gewaltsamkeit
entferntes, Verfahren Wuth und satanische Hinterlist. (§. 11.)
WTer möchte hier nicht an ihm irre werden ? Wer nicht eben-
sosehr seinen Verstand als die Reinheit seiner Gesinnung in Zwei-
fel ziehen ? Und doch war Gregor unstreitig bei vielem Geiste
auch, wie seine ganze Familie, ein Vorbild christlicher Frömmig-
keit, die nicht mit schönen Worten zufrieden ist, sondern sich
am liebsten in edler That zeigt. Wenigstens bestimmten sowohl
Cäsarius, als seine Eltern, ihr sämmtliches Vermögen den Armen;
jener im Testament, diese durch Schenkung bei Lebzeiten. —
Werfen wir jetzt noch einen kritischen Blick auf diese Trauer-
rede! Im Ganzen ist sie so beschaffen, wie man es von der Ein-
sicht und Sorgfalt des Herrn v. S i n n e r erwarten konnte. Nur
 
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