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y. Ammon’s Fortbildung des Christenthums

ihnen ihr Bedürfnifs, Perfectibilität der Überzeugung, ohne alle
Scheu vor freimüthigen offenen Untersuchungen, unbedenhlich ge-
währt, weil gewifs in dem, was offen ans Tageslicht gerückt
wird, am schnellsten Wahrheit und Mängel zu unterscheiden sind.
Dieser Muth der theologischen Wahrheitsliebe aber wird nur dann
in der Kirche hervorleuchten, wenn in den Oheraufsichtsstellen
Männer fest stehen, welche den ganzen Umfang der theologischen
Fächer mit akademischer Denkübung und Denkfreiheit durch-
gearbeitet und dabei sich doch auch den praktischen Sinn für
das Administrative und die beleuchtende Darstellungsgabe geret-
tet haben ; Männer, weiche würdig sind , einen Reinhard, einen
Herder, einen Löfler zu Vorgängern gehabt zu haben!
Dem deutschen Publicum macht es Ehre, dafs so bald eine
neue Ausgabe dieses Werks der Fortbildung nötbig gewor-
den ist, ungeachtet unsre Mitwelt von kühn emporblickenden
transcendenten Speculationen und tief sich hinabsenkenden Mysti-
cismen influenzirt wird , welche nicht wie Sokrates und Christus
den Himmel auf die Erde herableiten , vielmehr alles in ein Me-
teorisch-absolutes oder gar in ein Reich der Übernatur und Un-
natur eutrücken möchten. Der Verf. erwiedert die rege Tkeil-
nahme der Geistesverwandten dadurch, dafs die neue Ausgabe
mit sehr bedeutsamen neuen Schilderungen aus dem Charakteristi-
schen der vergangenen Bildungszeiten ausgestattet erscheint.
Mitleidig charakterisirt er in der kleinen, oben angezeigten,
Schrift ein Product, welches auch wir gerne einer blofsen Gei-
stesverirrung zuschreiben wollen , insofern die darin vorherr-
schende Anmafslichkeit und Schadenstiftungslust auch als Symptom
bei Irrdenkenden vorkommt. Der Seelenzustand des Unglückli-
chen, welcher sonst ein stolzer Philosoph gewesen, jetzt aber,
durch eine totale Veränderung, seiner gränzenlosen Igno-
ranz in Glaubenssachen bewufst geworden zu seyn
versichert, wird hier durch Ein Beispiel genug erkennbar
werden.
Ei; will, dafs durch symbololatrrsche Beschwörungen jedes
Fortschreiten in des Prüfungspflicht zu hemmen sey und beruft
sich deswegen (nach S. 6) darauf, dafs, nach Mathesius biogra-
phischen Leichenreden, Luther sich oft in grofsen Nöthen und
Kämpfen seines theuern Doctoreides getröstet habe. Herr v. A.
bemerkt ihm dagegen , dafs allerdings Luther i5ia den gewöhn-
lichen Doctoreid vor seinen damaligen Obern geleistet hatte, des
Inhalts, dafs »Er die Dogmen der heiligen Kirche treu bewah-
 
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