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N°. 18. HEIDELBERGER 1838.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Reform des Finanzwesens in Bern.
( B e s chl uf $.)
»Die Aufhebung der Ortsbürgerrechte würde, auch wenn
ihr weniger Schwierigkeiten entgegenständen , kaum diejenigen
wohlthätigen Folgen herbeiführen, die man sich von einer so
wichtigen Mafsregel verspricht, sondern viel eher sehr verderb-
lich wirken. Zwar kennt die Kommission die Nachtheile sehr
gut, die man gewöhnlich diesen Instituten vorwirft, und die sich
auch nicht ganz wegläugnen lassen. Sie weifs wohl, dafs die
Bürgerrechte die Quellen sind des eigennützigen , kleinlichen
Ortli- und Kantönligeistes, welcher den Vortheil des Bürgerorts
vorzieht demjenigen des gemeinen Vaterlandes, weil er im Grunde
sein ganzes Vaterland nur in seinem Bürgerorte, höchstens in
seinem Kantone erblickt; sie weifs , dafs zu andern schädlichen
Früchten jenes Geistes auch die kleinliche Unterscheidung in den
Begriffen von Bürgern und Hintei’sassen mit ihren Folgen zu
zählen ist. Aber neben dieser Schattenseite verkenne man die
Lichtseiten jener tief gewurzelten Institutionen nicht. Zwar er-
kennt mancher in der That sein Vaterland nur in seinem Bürger-
recht; aber würde ihm dann jenes lieber werden, wenn man ihm
dieses entreifst ? jetzt findet er in der Beförderung der Interessen
seiner Bürgergemeinde, die doch auch einen Theil des gröfsern
Ganzen bildet, einen ihm wertben Wirkungkskreis, in welchem
er nützlich ist, während er ohne diesen ein unnützer Bürger
wäre. Da nun nicht alle Bürger an den höhern vaterländischen
Angelegenheiten thätigen Theil nehmen können, so ist es gewifs
im klugen Interesse der Regierung, doch jedem so viel möglich
einen engern Wirkungskreis anzuweisen, in welchem er seine
Kräfte mit Freuden übt, und mittelbar auch den Nutzen des ge-
meinsamen Vaterlandes fördert. Weit entfernt also, dafs mit
Aufhebung der Bürgerrechte ein gemeinnützigerer Patriotismus
einträte, würde höchst wahrscheinlich todle Gleichgültigkeit an
allen vaterländischen Interessen, bei einer grofsen Zahl der Staats-
bürger die Stelle des Örtligeistes einnehmen, welcher dann leicht
die Wahrheit der Worte von Montesquieu bewähren liefse:
»du moment qu’un citoyen dit que m’importe, l'etat est perdu.«
XXXI. Jahrg. 3. Heft. 18
 
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