Greith: Si>icilegium Vaticanuiu.
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Kaermodin finden des Königs ausgesandte Boten zwei Edelknaben
im Span (in Streit) begriffen; Merlin heifst der eine, Dabu-
tius der andere. »Was magst du mit mir rechten?« sprach in
grofser Unsitte zu Merlin Dab. »Von Vater und Mutter her bin
ich Sprosse königlichen Geblüts; von wannen aber du gekommen,
weifs Niemand: du hast keinen Vater je gehabt.« Und die Boten
erfuhren , dafs Merlins Mutter die Tochter des Fürsten von De-
metia wäre, die im Kloster St. Peters derselben Stadt den Schleier
genommen. Mutter und Sohn wurden vor den König geführt,
und über die Geburt ihres Sohnes befragt spricht die Mutter zu
Wortigern: »Nie habe ich einen Mann erkannt, defs sey mein
Zeuge Gott! noch weifs ich, wie ich diesen Sohn empfangen.
Dessen nur bin ich mir bewufst : als ich eines Tags mit meinen
Gespielinnen im Kämmerlein war, erschien ein Jüngling von herr-
licher Gestalt, umarmte mich im brennenden Verlangen, und
entliefs mich gesegneten Leibes. So ward dieser Sohn geboren.«
Mangautius, alter Bücher kundig, über diesen Fall zu Rath ge-
zogen , sprach: in den alten Büchern der Weisheit .werde von
mehreren Geburten dieser Art Meldung gethan, und Apulejus
erzähle,- dafs Sokrates zwischen Erde und Mond Geister (Dämo-
nen) angenommen habe , die , weil sie Menschen und Geister zu-
gleich seyen, oft Menschengestalt annehmen und Weibern bei-
wohnen. Hierauf wollte Wortigern, nach dem Rathe der Zau-
berer, den Wunderknaben tödten lassen; aber der Knabe flehte:
»Herr, erhalte mir mein Leben, und über verborgene Dinge
werde ich dir richtige Deutung geben, von denen deine Zaube-
rer hier nichts wissen. Zum Beweis ihrer Unkunde frage ich sie
zor dir: wissen sie, was unter des Wehrthurms Fundament ver-
borgen ist?« Die Zauberer blieben stumm. » Herr und König ,«
fuhr M. fort, »lafs nachgraben, und unten in der Tiefe wird man
auf einen Teich stofsen ; dieser hat bisher das Gebäude erschüt-
tert.« Man grub nach, und siehe! es fand sich Alles, wie er
gesagt. »Nun lafs«, sprach M., »das Wasser abfliefsen vom
Teich, und im tiefen Grunde wird man zwei ausgehöhlte Stein-
blöcke und unter ihnen zwei schlafende Drachen finden.« Das
Wasser ward abgeleitet, die Steine umgewälzt, und es traten die
Drachen hervor in die wasserleere Grube; der eine war roth, er
bedeutet das brittische Volk; der andere weifs, er sinnbildet die
Angelsachsen. Und die Drachen begannen harten Kampf wider
einander, und Feuerflammen entströmten ihren gewaltigen Mähnen.
Es siegte der weifse über den rothen ; dieser hinwiederum über-
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Kaermodin finden des Königs ausgesandte Boten zwei Edelknaben
im Span (in Streit) begriffen; Merlin heifst der eine, Dabu-
tius der andere. »Was magst du mit mir rechten?« sprach in
grofser Unsitte zu Merlin Dab. »Von Vater und Mutter her bin
ich Sprosse königlichen Geblüts; von wannen aber du gekommen,
weifs Niemand: du hast keinen Vater je gehabt.« Und die Boten
erfuhren , dafs Merlins Mutter die Tochter des Fürsten von De-
metia wäre, die im Kloster St. Peters derselben Stadt den Schleier
genommen. Mutter und Sohn wurden vor den König geführt,
und über die Geburt ihres Sohnes befragt spricht die Mutter zu
Wortigern: »Nie habe ich einen Mann erkannt, defs sey mein
Zeuge Gott! noch weifs ich, wie ich diesen Sohn empfangen.
Dessen nur bin ich mir bewufst : als ich eines Tags mit meinen
Gespielinnen im Kämmerlein war, erschien ein Jüngling von herr-
licher Gestalt, umarmte mich im brennenden Verlangen, und
entliefs mich gesegneten Leibes. So ward dieser Sohn geboren.«
Mangautius, alter Bücher kundig, über diesen Fall zu Rath ge-
zogen , sprach: in den alten Büchern der Weisheit .werde von
mehreren Geburten dieser Art Meldung gethan, und Apulejus
erzähle,- dafs Sokrates zwischen Erde und Mond Geister (Dämo-
nen) angenommen habe , die , weil sie Menschen und Geister zu-
gleich seyen, oft Menschengestalt annehmen und Weibern bei-
wohnen. Hierauf wollte Wortigern, nach dem Rathe der Zau-
berer, den Wunderknaben tödten lassen; aber der Knabe flehte:
»Herr, erhalte mir mein Leben, und über verborgene Dinge
werde ich dir richtige Deutung geben, von denen deine Zaube-
rer hier nichts wissen. Zum Beweis ihrer Unkunde frage ich sie
zor dir: wissen sie, was unter des Wehrthurms Fundament ver-
borgen ist?« Die Zauberer blieben stumm. » Herr und König ,«
fuhr M. fort, »lafs nachgraben, und unten in der Tiefe wird man
auf einen Teich stofsen ; dieser hat bisher das Gebäude erschüt-
tert.« Man grub nach, und siehe! es fand sich Alles, wie er
gesagt. »Nun lafs«, sprach M., »das Wasser abfliefsen vom
Teich, und im tiefen Grunde wird man zwei ausgehöhlte Stein-
blöcke und unter ihnen zwei schlafende Drachen finden.« Das
Wasser ward abgeleitet, die Steine umgewälzt, und es traten die
Drachen hervor in die wasserleere Grube; der eine war roth, er
bedeutet das brittische Volk; der andere weifs, er sinnbildet die
Angelsachsen. Und die Drachen begannen harten Kampf wider
einander, und Feuerflammen entströmten ihren gewaltigen Mähnen.
Es siegte der weifse über den rothen ; dieser hinwiederum über-