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Kr. 34. HEIDELBERGER 1855.'
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Wiponis Proverbia, Telralogus Heinrici regis etc.
(Schluss.)

Die Schriften Wip o’s, des Capellan’s des Kaiser Conrad desSalier’s
und seines Nachfolgers Heinrich III., wie sie in diesem Abdruck nun
zum erstenmal zusammengestellt erscheinen, werden zwar, wenn man
den rein philologischen Standpunkt festhalten will (und wird dieser über-
haupt hier in aller seiner Strenge geltend gemacht werden können?)
kaum mit den Schriften eines Einhart, Richer oder eines Lambert,
um nur diese zu nennen, sich zusammenstellen lassen, obwohl ihr
Verfasser für die Zeit, in der er auftrat — gegen die Mitte des
eilften Jahrhunderts — sehr correct und fliessend schreibt, bei sicht-
barer Nachbildung der classischen Schriftsteller, namentlich eines
Sallustius wie eines Virgilius, den er neben Lucanus und Statius,
Horatius, Ovidius und Andern kennt und anführt; aber sie empfeh-
len sich von andrer Seite durch ihren Inhalt, der, auch abgesehen
von dem geschichtlichen Werth, den namentlich die in Prosa ab-
gefasste Vita Chuonradi II. Imperatoris als Quellenschrift anspricht,
eine so tüchtige Gesinnung, einen solchen charaktervollen Ernst und
eine solche Tüchtigkeit kund gibt, die selbst unserer Zeit in Man-
chem als Spiegel vorgehalten werden kann. Davon gibt gleich die
erste der hier abgedruckten Schriften des wohlgebildeten Burgun-
der’s, die in Verse gebrachten Proverbia edita ad Heinricum Chuon-
radi Imperatoris filium, ein volles Zeugniss. Die Ansprache, an den
jungen Fürsten gerichtet, beginnt mit den Worten:
Decet regem discere legem.
Audiat rex, quod praecipit lex.
Legem servare hoc est regnare.
Notitia literarum lux est animarum.
Saepius offendit, qui lumen non attendit.
Qui habet scientiam, ornat sententiam.
Melior est sapientia quam secularis potentia etc.
So schreibt im Beginn des Mittelalters, das für so finster und
tyrannisch verschrieen ist, ein Hofgeistlicher an seinen Fürsten! In
gleichem Sinn und Geist ist auch das Uebrige gehalten, alle Vor-
schriften und Lehren athmen die reinste Moral, und dabei spricht
sich in Allem ein so gesunder Sinn, eine solche Wahrheit aus, dass
man gerne bei diesen hundert Lebenssprüchen verweilen wird.
Wie wenig der Verfasser die Fehler und Gebrechen seiner Zeit
verkannt hat, mag aus den Versen hervorgehen, welche gegen die,
XLYIII, Jahrg, 7, Heft. 34
 
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