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Nr. 45.

HEIDELBERGER

1855.

JAHRBÜCHER BER LITERATUR.

Fortlage: System der Psychologie.
Fortsetzung·.

Wer wird behaupten, dass solche Anschauungen, wenn sie auch auf dem
Boden der Ca r t e si us'sehen Philosophie erwuchsen, es nicht weiter, als bis
zu neuen Namen brachten? Ist das Wesen des Leibes und der Seele, der Aus-
dehnung und des Denkens oder der beiden zu Grunde liegenden Substanz
vielleicht „durch die neuen Namen“ des Triebes und seiner „Hemmung oder
Umwandlung“ erklärt?
S. 32 lesen wir: „Im ganzen Alterthum kommt die Ansicht, dass die Seele
aus Vorstellungen oder Sensationen (αισθήσεις) bestehe, nur ein einzigesmal
vor, nämlich in einem flüchtigen Einfalle des Sophisten Protagoras (nach
Diog. Laert. IX, 51), während dieselbe bei der Schule des Sensualismus zum
allgemeinen Axiom wurde“. Die Behauptung in diesem Umfange ist offenbar
unrichtig, und die Zurückführung aller Erkenntnisse auf Empfindungen und aus
ihnen hervorgehende Vorstellungen ist nicht etwa nur „ein flüchtiger Einfall“
des Protagoras, sondern kommt als Grundsubstanz in ganzen Systemen der
hellenischen Philosophie vor. Nach den Stoikern drücken sich die äussern Ge-
genstände in die Seele, wie die Figuren eines Ringes in weiches Wachs. Aus
diesen Eindrücken oder Empfindungen entstehen alle Vorstellungen, durch Zu-
sammenfassen der letztem die Begriffe; die Einheit dieser ist die Wissenschaft.
So sind in der stoischen Logik die Empfindungen die Elemente alles Erkennens,
und ihre Erkenntnisstheorie ist rein sensualistisch Diogen. Laert. VII, 45. Auch
bei Epikur ist das Element alles Erkennens die sinnliche Empfindung und
das Kriterium das indirect oder direct bestätigende oder verwerfende Sin-
nenzeugniss.
Das erste Kapitel handelt vom Bewusstsein. Dasselbe umfasst Un-
terscheidung des Bewusstseins vom Sinn (S. 53—63), Frage nach
dem Wesen des Bewusstseins (S. 63—70), Nachweisung, dass das be-
wusste Unterscheiden eine Frage in sich schliesse (S. 70—77),
Rückblick auf die fünffache Bedeutung im Wort Bewusstsein
(S. 77—83), nähere Erörterung des Inhalts fragender Thätig-
keit (S. 83—93), Entscheidung der Bewusstseinsfrage (S. 93—100),
Arten und Grade der Aufmerksamkeit (S. 100—108), physiolo-
gische Folgesätze (S. 108—119).
Als erste Eingenschaft des Bewusstseins wird „die Unterscheidungsfähig-
keit“ bezeichnet. Doch macht diese, wie der Hr. Verf. sagt, das Bewusstsein
selbst noch nicht aus. Denn, fügt er S. 69 bei: „Ist jedes Wesen, welches
die Fähigkeit des Unterscheidens besitzt, ein bewusstes, dann hat auch der
Magnetstein Bewusstsein“ (sic). Man sieht hier, wie mit den Worten ge-
spielt wird, die in dem Sprachgebrauche ganz anders genommen werden, als
XLYIII. Jahrg. 9. Heft. 45
 
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