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Nr. 60. HEIDELBERGER 1855.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Fecliner: Atomenlehre.
(Schluss.)
„Was man jedem Körper an Kraft besonders beilegt, ist daher nach Fech-
ner p. 108 nur der Antheil, mit dem er je nach seiner Individualität und
Stellung zu andern Körpern zur Erfüllung des Gesetzes beiträgt, welches sich
selbst, sofern es allgemein ist, auf alle Verhältnisse der Materie bezieht, und
daher jedem Körper vorschreibt, was er in seiner Zusammenstellung mit an-
dern zu leisten und zu erfahren hat.“ Kraft ist demnach nicht Eigenschaft des
Stoffes, sondern Produkt seiner Wechselwirkung zum Gesammtleben des Alls.
Form, Gestalt und Zweckbegriff oder Wesenheit sind aber sämmtlich als
Resultate bestimmter Bewegungen oder Kräfte anzusehen, daher auch diese
Dinge nicht als Eigenschaften der Stoffe, d. h. der materiellen Bestandtheile
der einzelnen Dinge betrachtet werden dürfen, sondern ebenfalls als Resultat
ihrer Wechselbeziehung zu dem Gesammtleben des Alls. Auch hierin gehen
der Materialismus und der physikalische Atomismus bestimmt auseinander.
Fechner macht hier auf eine höchst wichtige Thatsache aufmerksam, allein er
hat dieselbe noch nicht klar durchgebildet, ganz besonders bei dem Begriff
der Form; seine Ansichten schillern daher an manchen Punkten zwischen
Idealismus und Materialismus, obgleich er oft gegen beide in entschiedenem
Vortheil ist.
Wenn Fechner p. 116 sagt: „Nach unserer Auffassung ist alle Materie des
Körpers unmittelbar in Form aufgehoben, indem sie eben deren Bestimmungs-
punkte bildet, nach der dynamischen Ansicht ist sie in der Form nur wie
in einem äussern Sacke enthalten;“ so nähert sich diese Auffassungsweise ganz
der des Materialismus, welcher der Form keine selbstständige Bedeutung ausser-
halb der Materie zuschreibt. Allein ebenso könnte man p. 134 und 136 Anknü-
pfungspunkte des Atomismus mit dem Idealismus finden, wenn Fechner die dis-
c ο n t i n u i r 1 i c h e, d. h. aus Atomen bestehende Materie in eine continuirliche
Raum- und Zeitform, also auch gewissermassen wieder in einen Sack einschliesst.
Nach dieser Seite hin bleibt der physikalische Atomismus noch unbestimmt
und weiter zu entwickeln. Die Unbestimmtheit liegt aber schon in dem Grund-
begriff, dass die Atome ideellle Iiraflcentra sein sollen. Wie sollen wir uns
dieselben vorslellcn? Wie kommt es, dass sic einerseits in sich selbst durch
umgebende Lücken gegeneinander abgeschlossen sind, und andererseits dennoch
mit den andern Atomen in Wechselwirkung treten können? Worin ist der
Grund der Thätigkeit der Atome, dieser ideellen, absolut einfachen Wesen zu
suchen? Muss ihre Wirksamkeit auch nur als absolut gleich, als unverän-
derlich gedacht werden? Haben sie vielleicht nur passive Leitungsfähigkeit,
wie es für die Undulationslheorie nothwendig ist, oder muss denselben nicht
auch ebenfalls Spontaneität zugeschrieben werden, da letztere aus einem Zu-
sammenwirken derselben erklärt werden soll? Das sind alles Punkte, über
XLYIII, Jahrg. 12. Heft. 60
 
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