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944

Fechner: Atomenlehre.

entschiedene Materialist ist gegen den physikalischen Atomismus
Fechner’s im Nachtheil, und zwar ebenfalls in Bezug auf den Be-
griff der Kraft. Der dynamische Idealist lässt die Kraft sich will-
kürlich aus sich selbst erzeugen, ohne an ein festes Substrat gebun-
den zu sein; der Materialist gibt ihr zwar ein solches Substrat,
identificirt sie aber mit demselben. Der Materialismus behauptet eine
Identität von Kraft und Stoff, und macht die Kraft so nur von ih-
rem materiellen Substrat abhängig.
Allein diese Ansicht ist ebenfalls als falsch zu betrachten, in-
dem sie mit den Erfahrungsthatsachen nicht in Einklang gebracht
werden kann. Der strenge Materialismus, welcher unter Kraft nur
eine Identität von Stoff und Wirkungsfähigkeit versteht, müsste näm-
lich consequenter Weise behaupten, dass dieselben Stoffe auch in
der verschiedensten Zusammensetzung doch stets dieselbe Kraft und
Wirkung beibehielten. Dem ist jedoch nicht so. Die Physik und
Chemie lehren uns, dass ganz dieselben Stoffe in verschiedener Com-
bination ganz verschiedene chemische Eigenschaften haben können.
Diese Thatsache muss aber aus dem Grundbegriffe von Kraft und
Stoff erklärt werden.
Die physikalische Atomenlehre wird uns aus ihrem Prinzip eine
Erklärung möglich machen. Sie bestimmt den Begriff der Kraft
„durch die Kategorie des Zusammenseins, nicht aus dem innern We-
sen der Materie, welches in der That schwer deuten lassen würde,
wie sich dieselbe Materie unter dem Einfluss des Beharrungsvermö-
gens für sich allein aufs verschiedenste in Betreff der Ruhe, Be-
wegung, Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung benehmen
kann.“ Dieselben Stoffe können daher in verschiedenen Verbindun-
gen verschiedene Kräfte und Eigenschaften äussern, weil durch die
andere Lage andere äussere Einwirkungen stattfinden, oder andere
innere atome Bestandtheile zur Wirkung gelangen können. „So
kann dasselbe materielle Theilchen nach und nach die allerverschie-
densten Kräfte erfahren und äussern. Dieselben Materien, die in der
Aussenwelt nur eben noch den unorganischen Kräften derselben ge-
horchten, fallen der Wirkung der organischen anheim, so wie sie
in eine organische Zusammenstellung eintreten.“ pag. 110. Fech-
ner a. a. 0.
Der physikalische Atomismus sieht daher in der Kraft das Re-
sultat eines Zusammenwirkens verschiedener Stoffe. Er zerlegt den
Begriff der Kraft eines Stoffes in den Begriff des Zusammenwirkens
seiner Theile, und in den eines Zusammenwirkens mit den äusser
ihm befindlichen Atomen, und beide Faktoren zusammengenommen
erst sind es, welche die Beschaffenheit, die Kraft, die Zusammen-
setzung und die Wirksamkeit des einzelnen Stoffes bestimmen.

(Schluss folgt.)
 
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