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Kr. 37.

HEIDELBERGER

1855.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Schliephake: Die Grundlagen des sittlichen Lehens.
(Schluss.)

Die Hauptmomente der Willensfunktion; welche „den Principien
der Freiheit und des Gesetzes entsprechen, sind Muth und Gehor-
sam“. Das zweite Element der Persönlichkeit ist „das Bewusst-
sein“. Es erscheint als „bewusste Gesinnung“, als „Weisheit“.
Das dritte Moment der sittlichen Persönlichkeit ist das „Gefühl“
(S. 88). Es zeigt sich als „Freude am Guten, Liebe zum Guten,
Tugendseligkeit im Handeln“. Der Bund der drei Elemente des
Wollens, Erkennens und Fühlens unter steter Zurückführung auf die
religiös-sittliche Grundlage bildet „den sittlichen Charakter“.
Die sittliche Person äussert sich „in der sittlichen Wirklichkeit“
und auch in dieser stellen sich „Lebensmächte“ dar, als welche der
Hr. Verf. im sechsten Abschnitte die Kunst und die Geschichte
bezeichnet (S. 95). Unter der Form der „Selbstursachlichkeit“ tritt
die Lebensmacht „als Kunst“ auf. Kunst ist, wie der Hr. Verf.
will, „im Allgemeinen die nach Zweckbegriffen verfahrende Thätig-
keit“. Man sieht, dass der Hr. Verf. die Kunst in einem viel wei-
tern Sinne nimmt, als sie gewöhnlich genommen wird. Die Kunst
bezieht sich nach ihm „auf das ganze Vernunftdasein des Menschen
mit allen darin enthaltenen praktischen Idealen“. Sie erscheint ihm
als „das freithätige Vermögen“, wodurch der Mensch „das Werk
seines Lebens aus sich bezweckt, erzeugt und bestimmt sowohl zur
Erfüllung seiner Eigennatur, wie für die Gesellschaft, der er dient
und in der er seiner Individualität ein höheres Ziel gibt“ (S. 96).
Sie bringt die zwei Gesetze „der Wahrheit“ und „des Maasses“ in
Anwendung.
Er unterscheidet „die nützliche Kunst“ und „den Nutzkünstler“
(sic), die „edle Kunst“, insbesondere „die schöne Kunst“. Die Ge-
schichte als die zweite Macht in der sittlichen Wirklichkeit ist dem
Herrn Verf. „die zeitliche Entfaltung der Menschheit, die das Leben
der Völker und Völkerganzen umschliesst, woraus das individuelle
Werk hervorgestaltet und worin es zurückgenommen wird“ (S. 104).
In der sittlichen Geschichtsansicht wurzelt die Ueberzeugung, dass
die Menschheit das in ihrer Welt gewaltig gewordene Uebel über-
winden, es als das Nichtige tilgen und in ihrer stetigen Vervoll-
kommnung die unveräusserliche Würde der Güte und Freiheit durch
die Tugend des Thuns und des im Guten standhaften Leidens be-
währen werde“ (S. 105). Der Hr. Verf. entwickelt von S. 106—111
die sittlichen Beziehungen des Menschen zur Geschichte.
XLVIII. Jahrg. 8. Heft. 37
 
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