Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 59. HEIDELBERGER 1855.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Fauriel: Dante etc.
(Schluss.)

Aber bei jeder dieser sich aufdrängenden heidnischen Remi-
niscenzen erhob sich in der Phantasie des Dichters ein Kampf, nach
welchem sein religiöses Gefühl, sein christlicher Glaube, sein theo-
logisches Wissen plötzlich von der Art von momentaner Zerstreuung
erwachte, während welcher ihm die heidnischen Ideen gekommen
waren. Dann nahm er schnell diesen Ideen ihren heidnischen Ursprung
und gab ihnen christliche Färbung. Der Verf. weist dies an eini-
gen Figuren des Inferno nach, und kommt nach der ganzen tief-
sinnigen Erörterung zu dem Schluss, dass der Gebrauch der mytho-
logischen Elemente und eines heidnischen Führers in der Iiölle auf
keine Art die religiöse Einheit des Gedichts zerstört habe, und dass
der Dichter in allen Theilen seiner göttlichen Komödie gleich christ-
lich sei, selbst in denjenigen, wo man heidnische Zerstreuungen bei
ihm annehmen könne.
Zulezt bespricht der Verf. noch den Zweck der göttlichen Ko-
mödie. Dante hat mehrere Gründe und Zwecke bei seinem Gedicht
gehabt. Er wollte daraus nicht nur ein Munument seines poetischen
Genius und seiner Wissenschaft machen, er benutzte auch jede Ge-
legenheit, die Ungerechtigkeit der Florentiner, die traurige Lage
seines Exils zu zeigen; dann arbeitete er wieder in der Hoffnung,
dadurch einen Anspruch auf die Rückkehr zu erlangen. Sein Haupt-
grund und Zweck war aber, die Beatrice zu verherrlichen. Dieser
war schon früher in einigen kleinern Gedichten ausgesprochen. Aber
in allen Theilen der Komödie erscheint sie als der Gegenstand von
Dantes höchsten Hoffnungen, theuersten Erinnerungen und glühend-
sten Gefühlen. Sie hat ihn besonders durch Virgil erretten lassen,
als er in dem Wald verirrt und von den drei bekannten Thieren
geängstigt war, und zwar, wie der Verf. durchzuführen meint, nicht
als Symbol, sondern als wirkliche Persönlichkeit. Sie hat ihm, um
ihn zu bessern und wieder zu sich zurückzubringen, durch Virgil
den Ort der Verdammten zeigen lassen. Sie ist die Heldin des Ge-
dichts , das ganz von ihr erfüllt ist.
Die Beatrice ist nach dem Verf. in dem ganzen Gedicht keine
allegorische Figur, wie z. B. das Symbol der Theologie. Er will
davon durchaus nichts wissen. Er hält die Allegorie für die kälteste
und falscheste von allen poetischen Formen. Er erkennt zwar die
Alöglichkeit einer solchen Form an, allein er verlangt für sie die
XVIII, Jahrg. 12. Heft, 59
 
Annotationen