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704

Fortlage: System der Psychologie.

Kann man diese Klagen, welche der Hr. Verf. sämmtlich in Bezug auf
die Entelechie oder Selbständigkeit der Seele als des individuellen Le-
bensgrundes ausspricht, nicht mit weit gewichtigeren Gründen auf das
beziehen, was ihm das Wesen und die Grundlage alles und jedes
Seelenprozesses ist, auf den Trieb, aus dessen Hypothese man
die Seelenerscheinungen nur erklären kann, indem man zu einer
abermals unerklärten Hypothese, der Hemmung oder Umwandlung,
die Zuflucht nimmt?
Seite 30 werden Malebranche, Spinoza, Leibniz und
Wolf darin zusammengestellt, dass „sie über den Cartesiani-
schen Standpunkt im Wesentlichen nicht hinausgingen.“ Sie
brachten es hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Ausdehnung
und dem Denken, dem Leibe und der Seele nicht weiter, „als bis zu
neuen Namen, deren einziges Verdienst darin bestand, die obwal-
tende Schwierigkeit unverhohlen auszudrücken“. Referent glaubt,
dass das Verdienst dieser grossen Denker um die Psychologie noch
in etwas Anderm, als „in neuen Namen“ bestehe, und dass ihre
Anschauung sich gewiss wesentlich von der des Cartesius un-
terscheide. Leibnizens Monadenlehre ist eine ganz andere, als
die Seelenlehre des Cartesius; es ist die Lehre von den ein-
fachen, geistigen Kraftwesen. Diese sind nach Massgabe der Ent-
wickelung ihrer Vorstellungswelt verschieden, im Organischen die
letzten Elemente des Lebens, und liegen darum, den Pflanzen, wie
den Thieren und Menschen, in ihrem Leben zu Grunde, während
Cartesius nur für das Geistige des Menschen eine Seele hat, und
der Leib ihm nichts, als eine von dem Blute bewegte, materielle
Maschine ist, darum nach ihm thierische Lebenskraft und Seele im
absoluten Gegensätze stehen, und weder von Pflanzen- noch von
Thierseelen die Rede sein kann. Nicht minder ist auch Spino-
za’s Seelenlehre wesentlich von der des Cartesius verschieden.
Bei Cartesius ist die Seele eine denkende Substanz, der Körper
eine ausgedehnte, beide sind absolute Gegensätze. In Spinoza
sinkt das Substantielle der Seele und des Leibes zur blossen Modi-
fication einer und derselben Substanz nach den zwei Attributen des
Denkens und der Ausdehnung herab, welche der Verstand des
Menschen als das Wesen dieser Substanz ausmachend an ihr wahr-
nimmt, während nach dem Gesetze des ewigen und nothwendigen
Parallelismus zwischen Geist und Körper, Denken und Ausdehnung
diese in der Substanz an sich eines und dasselbe sind. Ist diese Lehre
noch der alte Cartesius ’sehe Dualismus oder die Annahme einer
Natur, welche in zwei Klassen von einander absolut entgegenge-
setzten, nur durch ein Wunder Gottes verbundenen Substanzen, wie
Körper und Seele, zerfällt? Gewiss wird man von solchen Lehren
nicht behaupten können, dass „sie über den Cartesianischen
Standpunkt der Psychologie im Wesentlichen nicht hinausgingen.“
Fortsetzung folgt.
 
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