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Chalybäus: Entwicklung' der speculat. Philosophie.

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französische Nachkommen vertreten. Fr. Bacon wird von dem
Verfasser übergangen, während er doch, als der eigentliche Fest-
steller der empirischen Methode, welche die Entzweiung der Philo-
sophie unmittelbar vor Descartes einleitete, seinen Platz vor Locke
hätte einnehmen sollen. Indess ist es dem Verfasser zunächst nur
darum zu thun, durch Angabe der Locke’schen Ansichten nebst
der auf demselben Boden entsprossenen Skepsis von Hume auf
Kant überzuleiten. Denn Kant nahm das Locke’sche Problem,
die Untersuchung über den Ursprung unserer Vorstellungen, freilich
in unvergleichlich tieferem und weiterem Sinne, auf. Während Locke
die Thatsachen des intellectuellen Lebens von aussen anscbaut, ohne
in das Getriebe der geistigen Selbstthätigkeit vorzudringen, setzt
sich Kant von Anfang an in der Entdeckung der ursprünglich in-
neren Erkenntnissbestandlheile des Geistes fest. Der Ausgang der
Kantischen Speculation war von zwei Seiten bestimmt, theils durch
ihre Stellung zu dem Sensualismus und Skepticismus jener Zeit,
theils durch ihr Verhalten zu dem rationalen Formalismus der
Wolffischen Philosophie, gegen welche Kant den Vorwurf des Dog-
matismus, d. h. der Unkritik in seinem Sinne, erhob. Die Bezie-
hungen Kants nach beiden Seiten hin mussten zur Einführung in
seine Lehre gleich neben einander erklärt werden ; statt dessen be-
handelt der Verfasser nur die eine, die ersterwähnte, und kommt
erst an späterer Stelle gelegentlich auf Kants Stellung zu dem
Wolffianisraus (S. 22 f.). Der Abschnitt über Kant ist nur über-
sichtlich gehalten, nicht so eingehend, wie die folgenden, und wie
es Kant, seiner Bedeutung in der Philosophie nach, verdient hätte;
es werden die Hauptstücke aus dem Inhalt der Kritik der reinen
Vernunft dargelegt, der Erkenntnissbegriff Kants, worauf seine ganze
Philosophie ruht, von wo aus die Fortbildung der Philosophie nach
ihm ausging, die eigenthümliche Fassung des kritischen Unterneh-
mens, die Frage nach der Möglichkeit synthetischer Urtheile a priori,
wird beleuchtet, es folgt dann das Nöthigste aus der transscenden-
talen Aesthetik, Analytik und Dialektik, wobei hie und da Einiges
strenger zu ordnen gewesen wäre, es werden Kants Untersuchungen
über die älteren Beweise für das Dasein Gottes angeführt, worauf
der Vortrag plötzlich zum Schluss eilt, so dass die Kantische Kritik
der praktischen Vernunft nur in der Kürze berührt wird; eine ver-
liältnissmässige und vollwichtige Kenntniss der Haupttheile der
Kantischen Philosophie wird nicht gegeben. Der von Kant versuchte
moralische Beweis für das Dasein Gottes hätte weit mehr hervor-
gehoben werden müssen, als es von dem Verfasser geschehen ist;
er soll zwar kein Wissen in Vernunfterkenntniss begründen, sondern
nur Vernunftglauben aus moralischer Ueberzeugung gewähren; er
enthält jedoch Sätze von grösstem Werth; denn gerade dies: dass
in unserem moralischen Bewusstsein das Postulat der
Gottesidee sich findet, dass diese Wahrheit als absoluter Grund
und Quell der sittlichen Ordnung, als Bürgschaft der Uebereinstim-
 
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