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Gerichtliche Medicin.

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der ja nur aus der Zahl der praktischen Äerzte genommen wird.
Wir fragen: welche Bürgschaften liegen denn vor? dass das Mini-
sterium, welches Gerichtsärzte anstellt, eben den ausgezeichnetsten
und mit der Aufgabe der gerichtlichen Medicin am meisten vertrau-
ten Arzt gewählt hat ?
Erfreulich ist es, dass der Verf. S. 30 gegen das Vorlesen
der Gutachten in der Sitzung sich erklärt und S. 39 anerkennt,
dass eine freie ärztliche Discussion in der Assise nothwendig ist;
und S. 41 die Sitte, als der Förderung der Wissenschaft wider-
sprechend, tadelt, dass zweifelhafte medicinische Ausdrücke in den
Gesetzbüchern durch die Medicinalbehörden bindend interpretirt wer-
den. Dagegen bemerkt man auf der anderen Seite, dass der Verf.
doch oft nicht gehörig in den Geist des neuen Verfahrens gedrungen
und das wahre Verhältniss der Sachverständigen aufgefasst hat, wenn
er z. B. S. 31 das zwar richtig von ihm anerkannte Recht des
Vertheidigers, Sachverständige vorzuschlagen, auf mannigfache Weise
beschränken will; S. 32 in Note im ger ichtsärztlichen Interesse bezweifelt,
ob dem beeidigten Sachverständigen zugemuthet werden kann, mit einem
unbeeidigten Sachverständigen (der bekanntlich nach einer freilich
nicht zu billigenden französ, Vorschrift von Amtswegen von dem Präsi-
denten vorgerufen werden kann) in eine Discussion sich einzulassen.
Man bedauert, dass der Verf. S. 36 noch immer dem Sachverstän-
digen (zwar nur in wichtigen Fällen) das Recht geben will, Fragen
zu stellen, während ein solches Recht, das der baierische oberste
Gerichtshof mit Recht als unzulässig erklärt, der Rechtsübung der
Staaten widerspricht, in denen seit langer Zeit das mündliche Ver-
fahren besteht, aber auch mit der Stellung der Sachverständigen
unverträglich ist. Die von dem Verfasser schon früher vertheidigte
Aufstellung einer gerichtsärztliehen Jury will der Verf. S. 38, noch nicht
aufgeben; er würde aus dem Gerichtssaal 1861, S. 168 — 71
sich überzeugen können, dass in England neuerlich ähnliche Vor-
schläge gemacht, aber verworfen wurden. Die Anweisungen und
Warnungen, S. 48, die der Verf. dem gewissenhaften Arzt in Be-
zug auf seine Gutachten gibt, verdienen grosse Beachtung, nur scheint
es, dass der Verf. die Tragweite mancher seiner Behauptungen doch
nicht recht erwogen hat, wenn er dem Gerichtsarzt das Recht geben
will, die Gesetzesinterpretation zu begutachten. In Ansehung der
Gründe aus welchen die Richter und Geschworenen nicht verpflichtet
sind, dem Gutachten der Aerzte unbedingt zu folgen, würde der
Verf. im Gerichtssaal 1861 manches finden, was zur richtigen Ver-
ständigung führt. In der Lehre von den Zeichen eines erlittenen
Coitus sind in der neuen Auflage neue Verbesserungen enthaltende
Ausführungen, besonders S. 82 über Schwangerschaft, S. 87 über die
Frage: wie weit eine Person über den Zustand der Schwangerschaft in
Selbsttäuschung sich befinden kann, S. 89 über Molen, 102 über
Zeichen des Lebens, über Frucht S. 115, über Lebensfähigkeit,
wobei Böckers schöne Abhandlung hätte benutzt werden sollen, her-
 
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