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706

Grupppe: Minos.

Auftreten Peerlkamp’s und Anderer selbst vertrauter mit einer solchen Art und
Weise der kritischen Behandlung und auch nachsichtiger geworden: was in
diesem „Minos“ vorliegt, lässt aber diess Alles weit hinter sich zurück, und
mag schon aus diesem Grund ein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit sein.
„Die Uebertreibung jeder Wahrheit, sagt der Verf S. X, wird wieder Un-
wahrheit“ : wir glauben, das vorliegende Buch kann in seinem Inhalt einen
Beweis für die Richtigkeit dieses Ausspruches liefern.
Wenn man erwägt, wie schon im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung
Horatius und Virgilius, um nur diese zu nennen, in den Schulen der römischen
Jugend gelesen, wie die gelehrten Schulmänner jener Zeit, mit der grössten
Sorgfalt den Bestand des Textes der in den Schulen gelesenen Dichtungen
überwachten, wie sie die für den Gebrauch bestimmten Exemplare mit der
grössesten Gewissenhaftigkeit revidirten und die genaue Durchsicht durch ihre
Unterschrift beglaubigten; wenn wir weiter erwägen, mit welcher gleichen
Sorgfalt man in den nachfolgenden Zeiten, zumal in dem Zeitalter der unter
den Karolingern wieder aufblühenden römischen Literatur, bemüht war, die
aus der älteren Zeit damals noch erhaltenen, von jenen Grammatikern durch-
gesehenen Exemplare zu copiren und so diese Dichtungen in ihrem wirklichen
Bestände unverkümmert der Nachwelt zu überliefern, so wird schon von vorne-
herein jede Möglichkeit, in den Text dieser alten Dichtungen ganze Verse,
Strophen, ja ganze selbständige Lieder einzuschieben und für Werke der alten
Dichter fälschlich auszugeben, undenkbar sein. Eine solche Fälschung und
ein solcher Betrug wäre gar nicht möglich gewesen, indem die Entdeckung
der Fälschung dieser selbst auf dem Fusse nachgefolgt wäre: für so dumm
werden wir doch in der That jene alten Schulmänner und Kritiker nicht halten
dürfen, um ihnen derartige Entdeckungen abzusprechen, wir werden ihnen
eben so wenig derartige bald zu entdeckende Versuche der Fälschung zu-
trauen dürfen, auch wenn wir sie für minder gewissenhaft halten wollten, als
sie es in der That waren. Die Sorgfalt, mit der unsere Nation die Werke
ihrer grossen geistigen Heroen, eines Schiller und Göthe, überwacht, kann in
der That nicht grösser sein, als diejenige gewesen ist, welche jene alten
Grammatiker für die Bewahrung des Textes der von ihnen nicht minder ver-
ehrten Dichter der classischen Zeit, eines Virgilius und Horatius, an den Tag
gelegt haben. Schon aus diesem Grunde können wir an keine Interpolationen
grösseren Umfangs glauben, so wenig es uns auch einfallen kann, einzelne
Verderbnisse des Textes, wie sie im Laufe der Zeiten durch die Abschreiber
veranlasst worden sind, in Abrede zu stellen. Und wahrhaftig, die Kritik hat
hier noch einen grossen Spielraum, auf dem sie sich auch nach dem Vorgang
eines Bentley mit Erfolg bewegen kann, damit es ihr gelinge, die Werke der
alten Dichter in einer durchweg gereinigten und fehlerfreien Gestalt uns
vorzuführen.
Wir haben damit unsere Ansicht offen und bestimmt ausgesprochen: wir
stehen auf einem total entgegengesetzten Standpunkt, der uns die Ergebnisse,
zu denen der Verfasser auf einem andern , einem rein subjectiven Wege, wie
wir es ansehen, gelangt ist, in einem ganz andern Lichte betrachten lässt: wir
können eben darum nicht weiter in eine Kritik des Einzelnen eingehen, die
ohnehin einen Raum in Anspruch nehmen würde, welcher die dieser Anzeige
 
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