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Kirchenrecht von Phillips und Schulte.

heutigen Recht*) von der kirchlichen Gerichtsbarkeit nichts mehr
abhängt: allein er hat nicht erwogen, dass auch jetzt vom canoni-
schen Recht das Meiste in die Geschichte des deutschen Prozesses
kommt, und er ist in die Fortbildung des Processes im Geiste des
Mittelalters nicht eingedrungen. So geschieht es denn, dass wir
auch heute noch keine Geschichte des Processes haben, und dass
gerade unsere Canonisten selbst bemüht sind, die Bedeutung des
canonischen Rechts für Process, Staatsrecht und Strafrecht zu läug-
nen, und den christlichen Geist niederzudrücken, der sogar in unserm
reinen Privatrecht hervortritt.
Es ist nicht zufällig, dass das Mittelalter mehr wie die Neu-
zeit eine innige Verbindung in allen Theilen der Rechtswissenschaft
darbot und eben der Doctor juris utriusque die Quellen des ge-
sammten Rechts zusammenfasste. Der Verfasser dieser Arbeit hat
einen grossen Theil seines Lebens darauf verwendet, den Mittel-
punkt dei’ juristischen Bestrebungen des Mittelalters in den statu-
tarischen Rechten Italiens und im canonischen Recht, die gleich-
mäsig denselben Plan verfolgten, darzustellen und die Grundlage
zu legen zu einer Dogmengeschichte.
Hier zeigt sich nun, dass man in unsern Tagen Alles auf den
römischen Process zurückführen will, während dieser, selbst der
justinianische Process, gänzlich untergegangen ist, und der Process zu
einer gemeinsamen Ordnung erst durch das canonische Recht gewor-
den ist. Eine Reihe von Beispielen sollen dies beweisen, obgleich
der Verfasser nicht daran denkt, hier etwas Umfassendes zu leisten.
Der erste Gedanke ist der der Positiones. Schon vielmals hat
der Verfasser dieser Schrift erklärt, dass die ganze Processrechts-
geschichte von diesem Ausdruck abhänge. Fast Nichts ist über
diese Lehre geschrieben. Der Verfasser hat in seinem Manuale an-
gezeigt, dass die beste Quelle für diese Arbeit in der Glosse zum
lib. VI. dem Titel de confessis zu finden ist, und dass sich hier
zeigt, dass die positiones nicht in Beziehung auf das römische Recht
und die dort vorkommenden interrogationes gebildet sind, wie die
ältesten Processualisten uns anzeigen, sondern aus der Moralphilo-
sophie des Mittelalters kommen und unmittelbar aus dem canoni-
schen Recht, weil schon damals von den einzelnen Klagfactis aus-
gegangen wurde c. 6. X. II. 1. und die Confessio nichts anders
war als das Zugeständniss eines Klagfacti, daher hätte der Titel
in VI°. II. 9 eigentlich heissen sollen de positionibus et confessis. **)

*) §. 179.
**) S. die Glosse und die Bemerkung von Andreae, der auf Joannes
Monaclius verweist.

(Schluss folgt.)
 
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