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Semmig: Geschichte der französischen Literatur.

Stoffe“, „die Fabliaux“, „Le roman du Renard“ und „der Roman
von der Rose.“ Sehr interessante Einzelheiten aus der Erinnerung
des λτerfassens, der, wie er selbst sagt, Frankreich studirt hat, stil-
le vif, zeichnen diese Seiten aus; was aber auffällt, ist die mehr-
fach eintretende Unterbrechung des natürlichen Fadens, und das
Hereinziehen von nicht unmittelbar verlangten Materials, das zwar
beweiset, dass der Verf. eine combinatorische und phantasievolle
Sprache sich zu eigen gemacht hat, zugleich aber die Zucht wissen-
schaftlicher Methode vermissen lässt. Die geologischen Erörterun-
gen über das Velay, welche in dem lyrischen Abschnitt (S. 172 —
193) episodisch angebracht sind, hätten sich z. B. besser als Ex-
curs geeignet, oder wären besser ganz weggeblieben. Aber der
Verf. ist sichtbar bemüht, alle gemachten Erfahrungen und empfan-
genen Eindrücke, in seinem Buche zu verwerthen, und, wenn auch
der Leser für die vielen geschichtlichen Parallelen, welche von des
Verfassers Ueberlegung und Nachdenken ein rühmliches Zeugniss
ablegen, dankbar sein muss, so erinnert das Buch doch an manchen
Stellen mehr an eine Reisebeschreibung, als an eine „Geschichte
der Literatur.“ Ein Beispiel für Viele ! Seite 243 heisst es von den
Städten im Innern Frankr eich’s (er meint z. B. Tülle, Angouleme,
Puy): „Das geschichtliche Leben dieser Städte liegt im Mittelalter.
Da der Leser vielleicht nie Gelegenheit haben wird, dies selbst zu
beobachten, so will ich hier dies locale Leben in seinen Haupt-
zügen flüchtig schildern.“ Nun folgt die Schilderung der Bälle,
Soireen, Theatervorstellungen,, geschlossenen Cirkel, Kinderfeste,
Jahrmärkte, Fabriken, des Mariencultus u. s. w. im modernen
Puy, Alles hintereinander, die Geschichte der mittelalterlichen Li-
teratur hat man darüber vergessen, und schon setzen wir uns. zu
dem Verfasser in den Wagen (S. 255), um von dem Velay Ab-
schied zu nehmen, Gott weiss wohin? Wir wenden das Blatt, und
auf S. 256 rührt uns die Ueberschrift: „Lyriker von Nordfrank-
reich“ wie ein Schlag, der uns versetzt wird, wir steigen wieder
aus, und kehren zur Literatur zurück! Wie mit jenen geologischen
Erörterungen, und dieser Schilderung des localen Lebens, so ver-
hält es sich drittens mit der Geschichte der Jungfrau von Orleans.
S. 272 — 276, ein Gegenstand, wovon der Verf. seiest bekennen
muss, dass er eine seiner würdige Feder in Frankreich nicht in
Bewegung gesetzt hat. Dieses Ereigniss gehört nicht in die Lite-
raturgeschichte, oder doch nur nebenbei, und zwar ausserhalb des
Zusammenhanges! Viertens, noch vor Schluss des lyrischen Ab-
schnittes, aus Anlass der Liebeshöfe, kommt er, was gleichfalls in die
gerügte Kategorie gehört, auf modernen französischen, englischen
und deutschen Socialismus, auf Einancipation (G. Sand — Louise
Otto) und Mormonismus zu reden. Dies wäre unterblieben, wenn
die Geschichte der Literatur u, s. w. an den Verfasser einen be-
rufsmässigen Monographen bekommen hätte. — Der Abschnitt
der „Wissenschaft im Mittelter“ ist in mancher Beziehung besser
 
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