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854 Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins.

sind, und man so beim Lebenden mehr auf eine allgemeine, als auf
eine spezielle Diagnose hingewiesen ist.
So entstehen nicht selten nach traumatischen Einwirkungen
auf die Ohrgegend, nach heftigen Explosionen, nach schweren Ent-
bindungen, nach heftigen epileptischen Anfällen plötzlich Functions-
störungen des Gehörs, die so bedeutend sind, dass das betroffene
Individuum sofort fast von jedem geselligen Verkehr abgeschnitten
wird. So viel uns bekannt, sind diese Fälle noch nicht Gegenstand
der Leichenuntersuchung gewesen und man ist daher genöthigt,
entweder eine Lähmung der Gehörnerven oder eine Blu-
tung in das Labyrinth anzunehmen. Zu einer solchen W a h r-
scheinlichkeitsdiagnose wird man umso mehr hingedrängt,
da, wo sich auch nicht die geringste Abweichung von der nor-
malen Beschaffenheit in denjenigen Theilen des Ohres zeigt, die
untersucht werden können; in Fällen, bei welchen die Eust. Röh-
ren frei sind, wo die Schleimhaut der Paukenhöhle, soweit als
unsere Untersuchungsmittel diess entdecken können, gesund; in
welchen das Trommelfell in Lage und Bau völlig natürlich, und auch
der äussere Gehörgang keine Krankheitserscheinung zeigt.
Noch viel räthselhafter sind aber diejenigen Fälle von
plötzlich entstandener Taubheit, bei welchen der
Nachweis jeder äussern und innern Ursache fehlt;
auf diese möchte ich hier die Aufmerksameeit hinlenken. Ueber
solche plötzlich entstandene Taubheit finden sich in der Literatur
nur spärliche Angaben. Vergeblich haben wir uns umgesehen in dem
Sammelwerke von Lincke, in den Werken von Kramer, Rau,
T o y n b e e; auch von Troeltsch hat keine eigene Beobachtungen.
Der Einzige, bei dem ich eine Angabe gefunden habe, ist Wilde; er
sagt in seinem bekannten Werke über Ohrenheilkunde:
„Wie ich schon beim Ohrentönen angeführt, so habe ich auch
bei chronischer Schwerhörigkeit ohne Spuren krankhafter Verletzung
im Ohr gesehen, dass die so afficirte Person im Verlaufe der Zeit
früher oder später, Symptome eines Leidens des Gehirns und Rücken-
marks zeigte; so wie völlige Amaurose mit erweiterter Pupille oft
der Vorläufer von Apoplexie, Lähmung und Epiplepsie ist. Solche
Fälle, in denen die Schwerhörigkeit nur ein warnendes Symptom
ist, sind verhältnissmässig selten; ich habe aber auch einige Male
erlebt, dass der Patient völlig gesund zu Bett ging und beim Erwachen
vollkommen taub war und niemals wieder hörte. Schrecken hat
gleichfalls junge Leute plötzlich des Gehörs beraubt. Solche Fälle
sind meistens unheilbar.“
Auf die merkwürdigen Beobachtungen von Meniere (Gazette
med. 1861. Seite 29; 239; 379; 597) werden wir später zurück-
kommen.
Zwei Fälle von plötzlich entstandener Taubheit, die wir be-
obachtet, wollen wir jetzt mittheilen.
 
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