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Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins. 355
Erster Fall.
Ein 40jähriger Beamter, aus einer Familie, in welcher Schwer-
hörigkeit nicht vorkommt, consultirte mich am 8. Juli 1862 und
gab folgendes an:
„Im 11. Lebensjahre stürzte ich auf das linke Ohr und war
seitdem links ganz taub. Rechts war das Gehör bis zum Januar
1862 ganz gut gewesen. In diesem Monat wurde ich eines Tages,
ohne irgend eine Veranlassung, von heftigem Sausen und Schwin-
del befallen. Dies war des Morgens; bis Mittag war ich so taub,
dass ich nur bei lautem Schreien in das rechte Ohr die Sprache
noch verstehen konnte. Schmerzen habe ich dabei nicht gehabt.“
Trotz aller angewandten Mittel: Schröpfköpfen im Nacken, längerem
Gebrauch resolvirender Mittel, 2dmaliger Anwendung des Catheters
nebst Eintreibung von Luft und Aetherdämpfen blieb bis zur Stunde
das heftige Sausen und die bezeichnete Schwerhörigkeit. Der
Schwindel verlor sich sehr bald wieder.“
Keinerlei Ursache konnte auf nochmaliges Befragen angegeben.
Keinerlei Erkrankung, auf welche das plötzlich eingetretene Leiden
sich etwa hätte beziehen lassen, konnte durch die Untersuchung
nachgewiesen werden; eine stattgehabte Erkältung stellte Patient
entschieden in Abrede; wir betonen diess besonders, weil Toynbee
und Erhard Fälle erzählen, bei welchen nach einer starken Er-
kältung plötzlich hochgradige Schwerhörigkeit mit Sausen aufge-
treten war, ohne dass sich bei der Untersuchung eine lokale Er-
krankung dabei hätte nachweisen lassen.
Die lokale Untersuchung ergab:
Links: Aeusserer Gehörgang normal, vorderer Abschnitt des
Trommelfells fehlt, der Rest ist mattweiss, flachgestellt; Handgriff
des Hammers noch erhalten und deutlich sichtbar; durch die Oeff-
nung im Trommelfell sieht man einen Theil der Paukenhöhle trocken,
glatt, glänzend.
Rechts: Aeusserer Gehörgang normal; äusser einem talk-
schieferähnlichen Glanz zeigt das Trommelfell keinerlei Abnormität.
Die Luft dringt bei der Catheterisirung leicht und ohne Geräusch
in die Trommelhöhle. Patient versteht nur die Sprache rechter-
seits, und da nur dann, wenn man ihm laut in das Ohr schreit. Er
bedient sich eines Hörrohrs.
Im Uebrigen sind alle Funktionen in Ordnung.
Zweiter Fall.
Μ., 31 Jahre alt, Kaufmann, war bis zum Februar 1859 ganz
gesund. Niemand in seiner Familie ist schwerhörig. Er selbst er-
freute sich stets eines guten Gehörs, litt nie an Ohrensausen. Im
Februar 1859 war Patient auf einer Geschäftsreise in Elberfeld.
Nachmittags machte er, obgleich es nicht besonders kalt war, mit
einem Pelz begleitet, eine Fusstour nach dem zwei Stunden ent-
 
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