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Kreuz: Zur Charakteristik von Wessenberg.

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folgende Stellen bei Anlass der Besprechung der Hirtenbriefe Papst
Gregor’s XVI. und Pius’ IX angeführt: „Der Katholik muss
tief bedauern, durch diese päpstliche Erklärung den tausendmal
widerlegten Vorwurf ungebührlicher Verehrung Mariä, den die
Protestanten gegen die katholische Kirche stets erneuern, gegen
den kündbaren Sinn aller Concilien und aller wohl unterrichteten
Katholiken bestätigt zu sehen“.... „Wir hören den Papst in seinem
Hirtenbriefe nicht Gott, sondern die Jungfrau Maria für den gan-
zen Grund seiner Hoffnung erklären. Der Papst sagt auch, er
hoffe, sie werde ihm durch ihren himmlischen Hauch die Rath-
schläge einflössen, die für die christliche Heerde am heilsamsten
sein können. Wie? von der Jungfrau Maria, nicht vom heiligen
Geist erwartet der Papst seine Inspiration? Solche Aeusserungen
mögen fromm gemeint sein; aber ihr Unpassendes fühlt nur der
Pöbel nicht“.... „Wie kann man zu Rom sich einbilden, dass Aus-
drücke von Heiligenverehrung, die die Kirche nie gebilligt hat, in
einem Hirtenbrief des Oberhauptes dieser Kirche im neunzehnten
Jahrhundert zur Herstellung des Ansehens der Kirche und ihrer
Organe und Anstalten beitragen werden, über deren tiefe Herab-
würdigung der nämliche Hirtenbrief in weitläufige Klagen sich er-
giesst?“ .... „Den päpstlichen Ausdrücken, welche die im Evan-
gelium bezeichnete Stellung der verehrungswürdigen Mutter des
Herrn verrücken, begegnet der unterrichtete deutsche Katholik
nur mit Wehgefühl.“ .... „Der höchste Oberhirt an der Tiber sollte
stets eingedeuk sein, dass in Deutschland, wo seit drei Jahrhun-
derten die Katholiken mitten unter Protestanten leben, schon das
Nationalconcil 794 zu Frankfurt unter Karl d. Gr. die nicäischen
Beschlüsse in Betreff der Art der Heiligenverehrung zurückge-
wiesen hat“ (S. 50 u. 51). Das Dogmatische bei Seite lassend,
suchte Wessenberg, an der Hand „dieser drei gewaltigen geistigen
Mächte, der Vernunft, der Bibel und der ersten Gemeinde“, zu
reformiren (S. 56). Die Anstalt der Kirche soll aufgebaut sein
„auf den Principien der Freiheit und Gleichheit.“ Humanität und
Sittlichkeit erhalten ihre wahre Weihe erst in der „Beziehung zu
Gott.“ Gott ist ein Geist. „Geistige Wiedergeburt ist darum noth-
wendig.“ Diese Begriffe sollen „durch lebendiges Handeln in eine
ruhende Wirksamkeit“ gesetzt werden. Dieses kann nur im Staat
geschehen, dessen Bürger die zur That gewordene, lebendige Hu-
manität und Sittlichkeit darzustellen haben. So greifen Staat und
Kirche harmonisch in einander. „Freiheit und Gleichheit, Humanität
und Sittlichkeit sind vermöge dieser sich zum wirklichen Leben
gestaltenden Harmonie nun nicht mehr blosse Begriffe, sondern
lebendige Wirklichkeit, sie sind die allein geltenden Mächte, durch
welche als die treibenden Prädikate die Subjekte gefüllt und ge-
sättigt ein glückliches, harmonisches Leben führen.“ Dies ist
„Wessenbergs auf Vernunft und Bibel gegründete Auffassung der
Idee der geistigen Wiedergeburt, die er sein ganzes Leben hin-"
 
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