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Kreuz: Zur Charakteristik von Wessenberg.

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„unfehlbar“, aber auch nur „in der auf den Geist und den Aussprüchen
Jesu und der Apostel beruhenden . wesentlichen und unveränder-
lichen Glaubens- und Sittenlehre.“ Matth. XVI, 18 bezieht W essen-
berg nicht auf die „Person Petri und seiner Nachfolger“, sondern
auf „den (von Petrus bethätigten) Glauben der Kirche an Christus,
den Sohn Gottes“ (S. 103. 104). Die Disciplin ist darum „ver-
änderlich“ und muss „den Zeitumständen angemessen“ eingerichtet
werden. Die freiesten und entschiedensten Ansichten Wessen-
berg's sprechen sich in seinen beiden gegen die Hirtenbriefe
Gregors XVI. und Pius’IX. gerichteten Schriften: Die Stel-
lung des römischen Stuhls gegenüber dem Geist des
19. Jahrhunderts, Zürich, 1833 und: Die Erwartungen
der katholischen Christenheit im 19. Jahrhundert
von dem heiligen Stuhl, Zürich, 1847, aus.
Ueber Gewissensfreiheit sagt er daselbst: „Ohne Frei-
heit der Gewissen findet die wahre Religion in ihrer Verbreitung
unübersteigliche Hindernisse.“ „Aus dem Grundsätze des Gewissens-
zwanges sind alle Verfolgungen des Christenthums und alle Be-
drückungen des katholischen Glaubens hervorgegangen.“ .... „Jede
Beschränkung und Unterdrückung, der Glaubensfreiheit hat die
Folge, den Gewissen grössere Stärke zu verleihen.“ .... „Nichts ist
so ganz von der individuellen Ueberzeugung abhängig, als die
Religion. Fürwahr die Freiheit des Glaubens und die Ueberein-
stimmung des äussern Bekenntnisses mit dem innern ist das un-
schätzbarste Gut auf Erden, und Schuld und Verdienst des Ein-
zelnen in Glaubenssachen gehört vor einen höhern Richter, als den
menschlichen.“ k’orzüglich beherzigenswerth sind Wessenbergs
Aussprüche über die Vereine und den Unterschied des rö-
mischen Papstthums und des Geistes unserer Zeit in
seiner zuerst genannten Schrift. „Es ist ein zuverlässiges Zeichen
von wahrer Freiheit und von Fortschritt in der Kultur, wo die
Vereine für wahrhaft nützliche Zwecke sich vervielfältigen. Es ist
dieses für ein freies, unter der Herrschaft der Gesetze stehendes
Volk die würdigste Art, seine Freiheit zu üben und den Spielraum,
der den Kräften und Talenten geöffnet ist, auszufüllen.“ .... „Nach
der Logik der Senatoren des Vatikans hätte selbst Gott dem Men-
schen keine Freiheit geben sollen, damit ja nichts Böses durch ihn
geschehe.“ Das „anerkannte Bedürfniss der Völker fordert ge-
setzliche Freiheit und Gewährschaften dafür, Rom verlangt unbe-
dingte Unterwerfung unter die Gewalt und Gewissenszwang. Jenes
fordert Fortschritt in allen Fächern des Wissens und Lebens; dieses
verlangt Stillstand. Jenes fordert Erneuerung des \Teralteten und
Wiedergeburt im Geiste; dieses verwirft jede Neuerung und dringt
auf den Buchstaben.“ „Dem Fortschritt der Intelligenz sich
zu widersetzen, hat sich als thöricht, die Furcht vor ihm als kin-
disch erwiesen. Je mehr· die Intelligenz fortschreitet, desto weni-
ger duldet sie eine Verwechslung des Nothwendigen mit dem Zu-
 
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