240 Matthias Osterwold
Islam Über. Er beherrschte die arabische Sprache. 1921 wurde er wegen einer Schi-
zophrenie in der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch untergebracht
Die drei Blätter von Seite sind auf Toilettenpapier geschrieben und zeigen
fortlaufende Textzeilen in einer Schrift, deren einzelne Zeichen aus rechten
Winkeln in verschiedenen Stellungen mit bis zu drei zugeordneten Punkten
bestehen. (Abb. 15.) Die Bedeutung dieses Textes und seiner Zeichen war unbe-
kannt. Der Text wurde von Sven-Ake Johansson als Notation für ein Gestenal-
phabet und einzelne perkusshre Klänge (Beckenschläge) gedeutet Diese Blätter
von Seitz erwiesen sich als prägnantes Beispiel für das oben angesprochene
Problem der Interpretation von Patientenarbeiten und der in ihnen enthaltenen
offenen oder verdeckten Chiffrierungen. Denn wie sich später herausstellte,
beruhte die musikalische Deutung auf einer Fehlinterpretation, die gleichwohl
zu künstlerisch wertvollen Ergebnissen führte. Der Klangkünstler Martin
Riches, der die Blätter von Seitz und ihre Interpretation durch Johansson bei
einem der Konzerte kennengelernt hatte, fand mit den Mitteln einer quasi kri-
minalistischen Recherche heraus, dass es sich bei dem Text um eine Geheim-
schrift handelt, wie sie früher bei Jugendlichen verbreitet war und vielleicht
immer noch ist, hier allerdings in einer raffinierteren Variante und zudem in
Spiegelschrift geschrieben. Seitz, der ja vor seiner Einlieferung Fremdenlegio-
när in Nordafrika gewesen war, empfiehlt sich mit dieser Art Kassiber oder
Geheimbotschaft als Begleiter und Führer für Afrika-Reisen. Hier artikuliert
sich verdeckt, aber überdeutlich der verbotene Wunsch, der Anstalt den Rücken
zu kehren. Martin Riches hat das amüsante Rätsel der Geheimschrift mit Sher-
«■MHffisn
Abb. 15. Lorenz Mathias Seitz, Bleistift auf Papier, 120 x 173,1921,
Sammlung Prinzhom, Inv. Nr. 4400/1 recto
Islam Über. Er beherrschte die arabische Sprache. 1921 wurde er wegen einer Schi-
zophrenie in der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch untergebracht
Die drei Blätter von Seite sind auf Toilettenpapier geschrieben und zeigen
fortlaufende Textzeilen in einer Schrift, deren einzelne Zeichen aus rechten
Winkeln in verschiedenen Stellungen mit bis zu drei zugeordneten Punkten
bestehen. (Abb. 15.) Die Bedeutung dieses Textes und seiner Zeichen war unbe-
kannt. Der Text wurde von Sven-Ake Johansson als Notation für ein Gestenal-
phabet und einzelne perkusshre Klänge (Beckenschläge) gedeutet Diese Blätter
von Seitz erwiesen sich als prägnantes Beispiel für das oben angesprochene
Problem der Interpretation von Patientenarbeiten und der in ihnen enthaltenen
offenen oder verdeckten Chiffrierungen. Denn wie sich später herausstellte,
beruhte die musikalische Deutung auf einer Fehlinterpretation, die gleichwohl
zu künstlerisch wertvollen Ergebnissen führte. Der Klangkünstler Martin
Riches, der die Blätter von Seitz und ihre Interpretation durch Johansson bei
einem der Konzerte kennengelernt hatte, fand mit den Mitteln einer quasi kri-
minalistischen Recherche heraus, dass es sich bei dem Text um eine Geheim-
schrift handelt, wie sie früher bei Jugendlichen verbreitet war und vielleicht
immer noch ist, hier allerdings in einer raffinierteren Variante und zudem in
Spiegelschrift geschrieben. Seitz, der ja vor seiner Einlieferung Fremdenlegio-
när in Nordafrika gewesen war, empfiehlt sich mit dieser Art Kassiber oder
Geheimbotschaft als Begleiter und Führer für Afrika-Reisen. Hier artikuliert
sich verdeckt, aber überdeutlich der verbotene Wunsch, der Anstalt den Rücken
zu kehren. Martin Riches hat das amüsante Rätsel der Geheimschrift mit Sher-
«■MHffisn
Abb. 15. Lorenz Mathias Seitz, Bleistift auf Papier, 120 x 173,1921,
Sammlung Prinzhom, Inv. Nr. 4400/1 recto