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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 1 - Nr. 9 (3. Januar - 31. Januar)
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Mitmwoch, den 14. Banuar 1874.

Erſcheint Mittwoch Senat Preis monatlich 12 2.
und bei den Trägern.

Einzelne Nummer à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaffe 4,

Zu ſpät!
Novelle von Clariſſa Lohde.
(Fortſetzung.)

Robert ſah Käthchen lange an, ein tleſer Schmerz
zuckte auf ſeinem Antlitz.
„Du liebſt ihn noch, obwohl er Dich verrathen! “
ſagte er bitter — „und doch ſagteſt Du einſt zu mir:
Wenn ich ihn nicht mehr achten kann, werde ich auch
aufhören, ihn zu lieben.“
„Die Liebe, die ich damals für Paul gefühlt, hat
auch aufgehört“, entgegnete ſie ſanft, „ſie iſt todt und
begraben, wie mein Glück, die Liebe aber des Menſchen
zum Menſchen bleibt.“

Ein bitteres Lächeln trat auf Robert's Lippen ——

„Ich glaube, Du räuſcheſt Dich ſelbſt, Käthchen“,
ſagte er. „Du glaubſt, nur die Liebe des Menſchen
lebe noch in Deinem Herzen für Paul, aber wo iſt die
Grenze zwiſchen dieſer und der andern Liebe zu fin-
den? — O, geſtehe es Dir nur ſelbſt, Du hoffſt noch,
Du hoffſt, daß er bald ruhig zu Dir zurückkehren
werde! —
„Ich hoffe nichts mehr“, entgegnete ſie leiſe, wäh-
rend ihre Wangen noch bleicher wurden als vorher.
„Ich wünſche, es wäre in Wahrheit ſo!“ rief Ro-
bert und ergriff zärtlich ihre Hand. „Du würdeſt
wenigſtens von einer neuen Täuſchung bewahrt blei-
ben. Paul liegt mehr als je in den Feſſeln dieſes vor-
nehmen Weibes.“
„Ich weiß es“, ſagte Käthchen düſter — „aber ich
bitte Dich, ſprich nicht davon — es giebt eine Grenze
des Ertragens, die Niemand zu überſchreiten vermag,
erinnere mich nicht an das, was ich mit aller Gewalt
aus meiner Erinnerung zu dräugen ſuchen muß, ſoll
ich 107 in Schmerz vergehen.“
„O, unſelige Liebe!“ rief Robert traurig, „die
blind und wider Verdienſt die trifft, die ihrer nicht
einmal begehren! — Was hätte ich darum gegeben,
wenn Du nur einen Theil der Zuneigung, die Du noch
immer für Paul hegſt, mir zugewendet hätteſt! Wie
hätte ich den Schatz treu gehegt und bewahrt, den mir
Gott gegeben, wie mein ganzes Sein und Leben in
dem Gedanken an Dein Glück aufgehen laffen! — Aber
der glänzende Paul trug ſchon als Knabe den Sieg
über den ungeſchickten Bruder davon — und ſelbſt

bei jedem derſelben ſchmerzlich

er — ihre Hand loskaſſ ſſend“ —

jetzt, da der glänzende Knabe zum Manne geworden,
der ſchmählichen Verrath an Dir begangen, ſelbſt jetzt
gilt er Dir noch mehr, als der Robert, der keine be-
ſtechenden Gaben, keine Genialität, der weiter nichts
beſitzt, als ein warmfühlendes, treues Herz, das ſich
ſelbſt opfern möchte, um das an Dir geſchehene Unrecht
wieder gut zu machen.“
Robert hatte in heftiger Empfindung die Worte
herausgeſtoßen; er hatte nicht gemerkt, wie Käthchen
zuſammengezuckt war.
Als er geendet, reichte ſie ihm in tiefer Erregung
beide Hände hin: „O, glaude mir“, ſagte ſie und
ſchaute ihm ernſt und feſt in's Auge — „ich weiß
Dein treues Herz wohl zu ſchätzen, Robert, — ich weiß,
wie opferbereit es iſt, und werde Dir ewig dankbar
dafür ſein. — Aber mehr, mehr verlange jetzt nicht

von mir.“
Robext wandte ſich ab: „Ich verſtehe Dich“, ſagte
„UAnd will Dich nicht

weiter beläſtigen — Lebe wohl!“ —
„Du zürnſt mir? Auch Du wirſt mich verlaſſen?⸗

fragte ſie traurig.

„Nein, nein“, rief er, „fürchte nichts — ich bin
wie ein treuer Hund, der immer wieder, wenn er ge-
rufen, zu ſeinem Herrn zurückkehrt, ſo oft man ihn auch
ſchon geringſchätzig von ſich geſtoßen hat. ““
„Robert!“ rief ſie vorwurfsvoll — Thränen ſtan-
den in ihren Augen.
„Verzeihe“, entgegnete er und ergriff noch einmal
ihre Hände, ſie heftig in die ſeinen preſſend — „ver-
zeihe dem rauhen Manne, der nicht gewohnt iſt, ſeine
Gefühle erſt im Innern des Herzens bedächtig zu glät-
ten, ehe er ſie an die Oberfläche treten läßt! — Aber
Du ſelbſt ſagteſt vorhin, „es giebt eine Gränze des
Ertragens“ — auch bei mir iſt dieſe erreicht! Lebe
wohl!“
Er ſtürzte hinaus. — Käthchen ſchaute ihm nach,

ein banger Ausdruck lag auf ihren Zügen, ein Ausdruck

neuer Zweifel, neuen Kampfes! —
„Gott, auch dieſes noch!“ rief fie und breßte die
Hände angſtvoll auf das Herz! — ö

einundzwanzigſtes Kapitel.
Der Frühling kam mit Macht, die Bäume des Par-

kes in der Reſidenz bedeckten ſich mit Maiengrün, ein
friſches Weben und Regen des Werdens war in der
 
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