heidelberger Volksblatt.
Samſtag, den 9. Mai 1874.
Erſcheint Mittwoch und Sam ſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
f—.. uund bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö
— — —
Der Mulatte.
Novelle von C. Brunn⸗Gabris.
ö (Fortſetzung).
Wenige Tage darauf befand ſich Herr Walden al-
lein in ſeinem Zimmer, als ihm „Mr. Rintle“ gemel-
det wurde. ö
„Rintle, Rintle“ — murmelte Herr Walden, „ich
kenne keinen Menſchen dieſes Namens; doch
ich werde ja ſehen.“ ö
Ein ältlicher Herr trat ihm entgegen, er forſchte in
deſſen Zügen, ob ſie ihm bekannt wären.
V„Sie kennen mich nicht, Mr. Walden“, redete ihn
der Fremde an, „das glaube ich gern.
gleichviel,
geſetzt und „drüben“ haben wir uns nie geſehen.“
zuſuchen, indeſſen iſt das eine ſo heikle und wohl auch
verwickelte Sache, daß ich wirklich nicht recht weiß, bei
welchem Ende ich das Ding anfaſſen ſoll, obgleich ich
Zeit genug gehabt habe, das zu überlegen. Zuerſt eine
Frage: Sie hatten eine Farm in Kentucki?“
„Ja wohl.“ ö ·
„Und Sie hielten Sklaven?“
„Auch das.“ x
„Hm, ja — ſo weit wären wir, und Ihre Antwort
iſt nur eine Beſtätigung deſſen, was ich hisher erforſchte;
aber nun! Ja wahrhaftig, Sir, ohne Ihnen zu miß-
tranen, weiß ich doch nicht, ob ich rund heraus ſprechen
darf. Ich habe da ſo allerlei Bedenken —. Befürch-
tungen, daß ich wirklich nicht weiß, wo die Vorſicht.
aufhöten und die Offenheit anfangen darf“s
. Herr Walden ſah ſeinen Gaſt mit einiger Befrem-
dung an. ö ö
„Ich haͤbe keine Ahnung“, verſetzte er, „was ich dar-
aus machen ſoll. Ich würde Ihnen gern entgegenkom-
men, wenn ich nur
„Run denn — Mr.
wohlwollender Mann, der ſich des Bedrängten anneh-
men wird, auch wenn er etwas Mühe davon hat; ich
will einmal ganz offen gegen Sie ſein, das heißt, wenn
Ble mir virſprechen, im Fall Ihnen die ganze Sache
üßte, um was es ſich handelt.“
Erſt vor zwei
Wochen habe ich meinen Fuß auf europäiſches Land
Urſache, ihn vor jeder neuen Tücke zu bewahren.
„Nun, ſeien Sie mir jedenfals willkommen“, ant-
wortete Mr. Walden, indem er ihm die Hand reichte.
„Nehmen Sie Platz, ehe Sie mir weiteres mittheilen.“
„Weiteres! — Ja wohl, denn Sie können wohl
denken, daß ich einen beſtimmten Grund habe, Sie auf-
wieder befreien.
zalden, — Sie ſehen aus wiẽ ein
fremd iſt, nichts von meiner Mittheilung zu ver-
rathen.“
„Allright, Mr. Rintle, Sie haben mein Wort.“
„Well, Mr. Walden, ich ſehe, Sie ſind ein Ehren-
mann. Wollen Sie mir wohl die Frage beantworten,
ob unter Ihren Sklaven ein Mulatte Namens Fenno war?“
Nun fing Mr. Walden ſeinerſeits an, vorſichtig zu
werden. Wer ſtand ihm dafür, daß dieſer Mr. Rintle,
der ſich ſo ſonderbar benahm, nicht ein Abgeſandter des
Mr. Keech oder gar er ſelber war?
„Erlauben Sie, Mr. Rintle“, entgegnete er, „ehe
ich Ihnen dieſe Frage beantworte, möchte ich doch wohl
wiſſen, welches Intereſſe Sie daran haben —“
„Soll heißen: welches Recht“, lachte Mr. Rintle,
„ich ſehe, Sie fangen auch an, mißtrauiſch zu werdenz
das iſt mir aber ein Beweis, daß Sie mehr von Fenno
wiſſen, denn wer ſeine Schickſale kennt, hat ja alle
Wenn
ich doch den armen Teufel endlich auffände.“ ö
„Dazu könnte ich Ihnen leicht behüflich ſein, wenn
ich nur wüßte, was Sie von ihm wollen.“
„Was ich will? Ihn, den armen Jungen, den ein
niederträchtiger Menſch um ſeine Freiheit betrogen,
Ich kann ihm ſeine Eltern, ſeine ver-
lorene Jugend, die er in der elendeſten Knechtſchaft
verbrachte, nicht wiedergeben, aber frei ſoll er ſein und
reich, um dieſe Freiheit zu genießen.“
„So kommen Sie von ſeinem Vater!“ rief Herr
Walden froh überraſcht. ö
„Ja, allerdings! Aber nun, Mr. Walden — Sie
wiſſen, ich habe nur Gutes im Sinn, ſagen Sie mir
ſchnell, wo ich ihn finde, denn, bedenken Sie, jede
Stunde, die ich ihm länger ſeinem elenden Looſe über-
laſſe, iſt eine ſchwere für ihn.“
Mr. Walden klingelte. ö
„Joſeph“, fagte er zu dem eintretenden Diener,
„gehe hinüber — ich laſſe Herrn Doktor Horſt bitten,
hierher zu kommen.“
„Doktor Herſt!“ rief Mr. Rintle erſtaunt, „Horſt,
ſagten Sie?“
„Ja doch“, lächelte Mr.
ſchon.“ ö ö
Mr. Rintle ſtarrte auf den eintretenden Fenno.
„Lieber Fenno“ begann Herr Walden, „hier iſt ein
Walden, „und da iſt er
Herr, der —“
„Fenno!“ unterbrach ihn dieſer, „Fenno — Horſt.
ſo iſt das alſo der Geſuchte. Aber hier? — Doktor
Samſtag, den 9. Mai 1874.
Erſcheint Mittwoch und Sam ſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
f—.. uund bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö
— — —
Der Mulatte.
Novelle von C. Brunn⸗Gabris.
ö (Fortſetzung).
Wenige Tage darauf befand ſich Herr Walden al-
lein in ſeinem Zimmer, als ihm „Mr. Rintle“ gemel-
det wurde. ö
„Rintle, Rintle“ — murmelte Herr Walden, „ich
kenne keinen Menſchen dieſes Namens; doch
ich werde ja ſehen.“ ö
Ein ältlicher Herr trat ihm entgegen, er forſchte in
deſſen Zügen, ob ſie ihm bekannt wären.
V„Sie kennen mich nicht, Mr. Walden“, redete ihn
der Fremde an, „das glaube ich gern.
gleichviel,
geſetzt und „drüben“ haben wir uns nie geſehen.“
zuſuchen, indeſſen iſt das eine ſo heikle und wohl auch
verwickelte Sache, daß ich wirklich nicht recht weiß, bei
welchem Ende ich das Ding anfaſſen ſoll, obgleich ich
Zeit genug gehabt habe, das zu überlegen. Zuerſt eine
Frage: Sie hatten eine Farm in Kentucki?“
„Ja wohl.“ ö ·
„Und Sie hielten Sklaven?“
„Auch das.“ x
„Hm, ja — ſo weit wären wir, und Ihre Antwort
iſt nur eine Beſtätigung deſſen, was ich hisher erforſchte;
aber nun! Ja wahrhaftig, Sir, ohne Ihnen zu miß-
tranen, weiß ich doch nicht, ob ich rund heraus ſprechen
darf. Ich habe da ſo allerlei Bedenken —. Befürch-
tungen, daß ich wirklich nicht weiß, wo die Vorſicht.
aufhöten und die Offenheit anfangen darf“s
. Herr Walden ſah ſeinen Gaſt mit einiger Befrem-
dung an. ö ö
„Ich haͤbe keine Ahnung“, verſetzte er, „was ich dar-
aus machen ſoll. Ich würde Ihnen gern entgegenkom-
men, wenn ich nur
„Run denn — Mr.
wohlwollender Mann, der ſich des Bedrängten anneh-
men wird, auch wenn er etwas Mühe davon hat; ich
will einmal ganz offen gegen Sie ſein, das heißt, wenn
Ble mir virſprechen, im Fall Ihnen die ganze Sache
üßte, um was es ſich handelt.“
Erſt vor zwei
Wochen habe ich meinen Fuß auf europäiſches Land
Urſache, ihn vor jeder neuen Tücke zu bewahren.
„Nun, ſeien Sie mir jedenfals willkommen“, ant-
wortete Mr. Walden, indem er ihm die Hand reichte.
„Nehmen Sie Platz, ehe Sie mir weiteres mittheilen.“
„Weiteres! — Ja wohl, denn Sie können wohl
denken, daß ich einen beſtimmten Grund habe, Sie auf-
wieder befreien.
zalden, — Sie ſehen aus wiẽ ein
fremd iſt, nichts von meiner Mittheilung zu ver-
rathen.“
„Allright, Mr. Rintle, Sie haben mein Wort.“
„Well, Mr. Walden, ich ſehe, Sie ſind ein Ehren-
mann. Wollen Sie mir wohl die Frage beantworten,
ob unter Ihren Sklaven ein Mulatte Namens Fenno war?“
Nun fing Mr. Walden ſeinerſeits an, vorſichtig zu
werden. Wer ſtand ihm dafür, daß dieſer Mr. Rintle,
der ſich ſo ſonderbar benahm, nicht ein Abgeſandter des
Mr. Keech oder gar er ſelber war?
„Erlauben Sie, Mr. Rintle“, entgegnete er, „ehe
ich Ihnen dieſe Frage beantworte, möchte ich doch wohl
wiſſen, welches Intereſſe Sie daran haben —“
„Soll heißen: welches Recht“, lachte Mr. Rintle,
„ich ſehe, Sie fangen auch an, mißtrauiſch zu werdenz
das iſt mir aber ein Beweis, daß Sie mehr von Fenno
wiſſen, denn wer ſeine Schickſale kennt, hat ja alle
Wenn
ich doch den armen Teufel endlich auffände.“ ö
„Dazu könnte ich Ihnen leicht behüflich ſein, wenn
ich nur wüßte, was Sie von ihm wollen.“
„Was ich will? Ihn, den armen Jungen, den ein
niederträchtiger Menſch um ſeine Freiheit betrogen,
Ich kann ihm ſeine Eltern, ſeine ver-
lorene Jugend, die er in der elendeſten Knechtſchaft
verbrachte, nicht wiedergeben, aber frei ſoll er ſein und
reich, um dieſe Freiheit zu genießen.“
„So kommen Sie von ſeinem Vater!“ rief Herr
Walden froh überraſcht. ö
„Ja, allerdings! Aber nun, Mr. Walden — Sie
wiſſen, ich habe nur Gutes im Sinn, ſagen Sie mir
ſchnell, wo ich ihn finde, denn, bedenken Sie, jede
Stunde, die ich ihm länger ſeinem elenden Looſe über-
laſſe, iſt eine ſchwere für ihn.“
Mr. Walden klingelte. ö
„Joſeph“, fagte er zu dem eintretenden Diener,
„gehe hinüber — ich laſſe Herrn Doktor Horſt bitten,
hierher zu kommen.“
„Doktor Herſt!“ rief Mr. Rintle erſtaunt, „Horſt,
ſagten Sie?“
„Ja doch“, lächelte Mr.
ſchon.“ ö ö
Mr. Rintle ſtarrte auf den eintretenden Fenno.
„Lieber Fenno“ begann Herr Walden, „hier iſt ein
Walden, „und da iſt er
Herr, der —“
„Fenno!“ unterbrach ihn dieſer, „Fenno — Horſt.
ſo iſt das alſo der Geſuchte. Aber hier? — Doktor