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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 18 - Nr. 25 (4. März - 28. März)
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2.—

Nr. 23.

Samſtag, den 21. März 1874.

. Jahrg.

eErſcheinn Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelue Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4
ö — und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. ö

Schloß Uregg.
Criminal⸗Novelle von Wilhelm Andreä.
(Fortſetzung).

Der todte Körper wurde am ſolgenden Tage auf
dem Friedhofe der Benedictinerabtei beerdigt. Der
Prior weinte dem Freunde eine Thräne nach und
ſchmückte ſein Grab mit Roſen. ö
Die Gräfin wurde bei dem Erſcheinen der Juſtizbe-
amten im Schloſſe im höchſten Grade verlegen. Sie
behauptete, keine Ahnung von der Ermordung ihres
Gatten und von dem Thäter zu haben. Sie könne
ſich auch unmöglich denken, daß wirklich hier ein Mord
vorliege; es ſei ihr wahrſcheinlicher, daß er ſich ſelbſt
getödtet, weil er ihres Wiſſens nach keine Feinde ge⸗—
habt habe.
Auf die Frage, weßhalb ſie an den Selbſtmord des
Grafen glaube, erwiderte ſie, ihr Gemahl, mit dem fie
in Unfrieden gelebt, ſei ſeit ſeiner Verheirathung im-

mer ſehr unglücklich geweſen und habe mehr als eine

mal geäußert, ſeinem Leben ein Ende machen zu wol-
len. Er ſei, als er das Schloß verlaſſeu, wie ſchon
öfter geſchehen, im Zorn und ohne Abſchied von ihr
zu nehmen, fortgegangen. Aus allen dieſen Gründen
müſſe ſie ſchließen, daß er ſein Leben durch Selbſtmord
geendigt habe.
Aehnlich lauteten auch die Ausſagen der Eltern.
Der alte Diener Eduard erklärte in ſeiner Ver-
nehmung, daß der junge Oſterfeld der Friedensſtörer
in der Familie geweſen ſei, und mit der Gräfin auf
vertrautem Fuße geſtanden habe, ein Umſtand, der die
Eiferſucht ihres Gemahls mit Recht rege gemacht. Es
ſei alſo ganz natürlich, doß der Graf mit ſeiner Ge-
mahlin und deren Eltern, die ſtets die Partei der
Tochter ergriffen hätten, unglücklich gelebt habe. Es
ſei ihm auch keineswegs entgangen, daß die Eſſor'ſche
Familie einen bitteren, unverſöhnlichen Haß auf den
Grafen geworfen hätte, der noch kurz vor ſeinem Weg-
gange die Befürchtung ausgeſprochen habe, daß die
Seinigen ihm nach dem Leben trachteten.
Aufgefordert, ſich näher über dieſen Punkt auszu-
ſprechen, erzählte er weiter: „Der ſelige Graf hatte
kurz vor ſeinem Weggange wiederum einen jener Auf-
tritte mit dem jungen Oſterfeld, ſeiner Gemahlin und
deren Eltern gehabt, die ſchon oft die Dienerſchaft als

geben hatte.

Lauſcher vor das Fenſter gelockt hatten. Er erklärte
zornig den Herrn Oſterfeld für den Friedensſtörer und
befahl ſeinen Schwiegereltern, das Schloß zu verlaſ-
ſen. „Das wollen wir ihm gedenken!“ rief Herr von
Eſſor dem Grafen nach, welcher das Zimmer verließ
und mit Heftigkeit die Thür hinter ſich zuſchlug. Er
hatte dieſe ſehr laut geſprochenen Worte eben ſo gut
gehört, wie ich, und ſagte mir, ehe er fortging, mit
Thränen in den Augen: „Eduard, Du kennſt das un-
glückliche Verhältniß, in welchem ich zu denen da drü-
ben ſtehe; ich kann Dir ſagen, daß ich meines Lebens
in meinem eigenen Hauſe nicht mehr ſicher bin; die
ſchlechten Menſchen ſind zu Allem fähig. Findeſt Du
mich in den nächſten Tagen todt, ſo kannſt Du ſicher
darauf rechnen, daß meine eigene Familie mich aus
dem Wege geräumt hat.“
Dieſe Auslaſſungen des alten Dieners waren wich-
30 genug, um gegen die Bezeichneten ernſtlich vorzu-
gehen. ö
Die Gräfin und Oſterfeld wurden in Haft genom-
men; dann ſchritt man zur Vernehmung der Frau von
Eſſor, deren Gemahl ſich Tags zuvor auf Reiſen be-
Sie erklärte, daß die lange Abweſenheit
des Grafen keinem Mitgliede der Familie aufgefallen
ſei, weil er viel Eigenheiten gehabt habe, ſchon öfter
mehrere Tage abweſend geweſen und noch beim Fort-
gehen zu ihrer Tochter geſagt habe, er würde einen be-
nachbarten Freund beſuchen und bei demſelben mehrere
Tage verweilen.
Als man ihr entgegnete, daß nach der Ausſage des
alten Dieners der Graf im Zorn von ſeiner Gemahlin
geſchieden und nach dem Zank kein Wort mehr mit der-
ſelben geredet habe, erklärte ſie, daß der Bediente da-
von nichts wiſſen könne, überhaupt auch auf die Aus-
ſagen dieſes alten Mannes kein Gewicht zu legen ſei,
weil er ſchon kindiſch würde.
Sie zeigte bei ihrer Vernehmung eine auffallende
Gleichgültigkeit gegen den verunglückten Schwiegerſohn
und bat wiederholt um Loslaſſung ihrer Tochter aus
der Haft, indem ſie ſich jede Satifaktion wegen der ihr
widerfahrenen Beſchimpfung vorbehielt.
Der Widerſpruch indeſſen, in welchem ihre Aus⸗—
ſage zu der des Bedienten ſtand, ſowie ihr ganzes Be-
nehmen überhaupt veranlaßte den Unterſuchungsrichter,
ſie gleichfalls verhaften und in das Criminalgefängniß
der Stadt abführen zu laſſen.
Das Unterſuchungsgericht legte hierauf der Ober-
behörde die Akten vor. Dieſe befahl die Fortſetzung
 
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