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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 18 - Nr. 25 (4. März - 28. März)
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Nr. 20.

Mitdoog, den 11. Mard 1 1874⁴.

erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr.
und bei den Trägern.

Einzelne Nummer 2 à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Man abonnirt beim werleze, Schiffgaſſ

Schloß Uregg.
Criminal⸗Novelle von Wilhelm Andreä.
(Fortf etzung).

„Ich danke Gott dafür!“ erwiderte der Mönch,
„And werde ſortfahren für die Erhaltung Deines Glücks
zu beten.“
Ein beſſerer Seelenkenner als der Graf es war,
würde in den Augen des Priors gemerkt haben, daß
ſie nicht in mitfühlendem Glück des Freundes ſtrahlten
und ein ſchmerzlicher Ausdruck in ſeinen Geſichtszügen
würde einem Pſyologen offenbart haben, daß der wür-
dige Herr nicht an die Dauer des Glücks dieſer un-
gleichen Ehe glaubte. Derſelbe war aber zartfühlend
genug, dieſes eingebildete Glück des Grafen nicht durch
den Ausſpruch ſeiner Befürchtungen zu ſtören. —
Am folgenden Tage ging der Schloßherr mit ſeiner
ö jungen Gemahlin Arm in Arm in dem nahen Parke
ſpazieren. Sie plauderten von tauſenderlei Dingen
mit einander und der Graf fühlte ſich durch die Ho-
nigworte und Liebkoſungen ſeiner Frau in ſeine Jüng⸗—
lingsjahre zurückverſetzt.
„O, könnte doch mein Freund, der Prior Benedikt,
mein Glück mit empfinden!“ dachte er, als er ſich mit
ſeiner Begleiterin auf einer Bank niederließ, die einen
herrlichen Blick auf die grünen Wälder und in die
blühenden Felder und Ortſchaften gewährte.
„Kennſt Du ſchon den Plan meiner Eltern?“ fragte
die junge Frau, als im Hinblick auf ihr väterliches
Gut Eſſorhagen, welches man von dieſer Anhöhe deut-
lich ſehen konnte, ihre Gedanken auf ihre Eltern ge-
lenkt wurden.
„Was meinſt Du?“ fragte der Graf.
„Mein Vater beabſichtigt, ſein Beſitzthum zu ver-
kaufen.“
„Davon hat er mir noch keine Sylbe geſagt,“ rief
Herr Uregg erſtaunt aus.
„Das wundert mich,“ lautete die Antwort ſeiner
Frau; „es wundert mich um ſo mehr, da er ſchon ſeit
langer Zeit dieſe Abſicht hegt.“
„Wollen ſich Deine Eltern vielleicht in der Reſidenz
niederlaſſen?“

„Darüber haben ſie wahrſcheinlich noch keinen Ent-
ſchluß gefaßt“, meinte die junge Gräfin; „ich würde

es natürlich am liebſten ſehen, „ wenn ſie hierher in

unſer Schloß zögen.

Wie angenehm wäre das für
mich, ja ſelbſt für Dich, lieber Anton! Raum iſt ja
noch für zehn Familien im Schloſſe vorhanden. Was
meinſt Du dazu, lieber Anton? — Es iſt natürlich
nur eine Idee von mir, die in dieſem Augenblicke in
mir auftaucht.“
„Hm, hm; nun freilich, warum nicht? — ei ia,
warum nicht?
„Nicht wahr, lieber Anton, es wäre hübſch? Es iſt
ja doch ſo einſam hier! Von den Freuden der großen
Welt iſt man faſt gänzlich abgeſchnitten; man ſieht
und hört hier nichts und lebt in ewigem Einerlei den
einen Tag wie den andern. Wenn nun erſt meine
Eltern hier wohnen werden — ich ſetze natürlich vor-
aus, daß Du damit einverſtanden biſt, geliebter Mann
— dann wird uns unſere große Einſamkeit nicht ſo
fühlbar werden und wir können die Zerſtreuungen,

welche die Stadt in ſo reichem Maße bietet, ſchon eher
verſchmerzen.
„Ja, ja, Du haſt Recht, liebe Amalie. Selbſtver-

ſtändlich wird es auch mir angenehm ſein, wenn Deine
Eltern Wohnung bei uns nehmen; aber was das ein-
ſame Leben betrifft, über welches Du Dich beklagſt,
ſo dächte ich, daß Du daſſelbe von Jugend auf ge-
wohnt biſt, da Eſſorhagen faſt eben ſo weit von der
Stadt entfernt iſt, wie unſer Schloß.“
„Gewohnt? — ja, leider habe ich mich daran ge-
wöhnen müſſen, aber ich habe immer die Hoffnung ge-

hegt, daß ein Foren trauriges Leben mit meiner Ver-

heirathung aufhören und mein zukünftiger Gemahl ſich
beſtreben würde, mir für die Enthehrungen in meinen
Mädchenjahren reichlichen Erſaß durch Zerſtreungen
aller Art, wie ſie unſerem Stande und unſerer Stel-
lung zukemmen, zu verſchaffen.“

Der Graf ſchwieg verſtimmt, während ſeine Ge

mahlin den Duft einer Roſe einathmete und ihre Blicke
ſehnſüchtig in die Ferne ſchweifen ließ. ö

Nach einer kleinen Pauſe hob der Erſtere an:
„Ich dächte, liebes Kind, daß Dir durch die nö⸗—

thige Ueberwachung unſerer Wirthſchaft —“

Bei dieſer Bemerkung blickte die junge Frau ihn
verwunderungsvoll an, wodurch er in ſeinem Redeſtrom

unterbrochen wurde und ſich ſelbſt corrigirend alſo fort-

fuhr: — „ich meine, daß Dir durch Deine häüsliche Be-
ſchäftigung und durch Deine neue Pflichten als Haus-
frau unſere Einſamkeit weniger fühlbar werden müßte.“
„Häusliche Beſchäftigung? — Pflichten als Haus-
frau? ich? Was Du da redeſt! Du ſcheinſt ganz zu
 
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