—
Vr. 16.
Mittwoch, den 25. Bsnar 187⁷ 7
7. Johrg.
rſcheint WIITo und Samſcag. Preis monatlich 12 kr.
und bei den Trägern.
Einzelne NRummer à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Man abonnirt beim Verleger, Shfe 4,
Die Freunde der Kaiſerin
Hiſtoriſche Skizze von Th. Juſtus.
(Schluß.)
Erſchüttert bedeckte die Fürſtin die Hände der Cza-
rin mit Küſſen und heiß wie nur je flammmte in ih-
rem Herzen die Liebe zu der wunderbaren Frau in die-
ſem Augenblicke wieder auf. Trotzdem aber ſagte ſie
ſich mit der ihr eigenen unbeirrbaren Geiſtesklarheit,
daß für den Beſtand des Verhältniſſes zwiſchen ihr und
der Kaiſerin eine zeitweil 100 Trennung durchaus von-
nöthen ſei. Katharina, welche deutlich fühlte, was in
dem Herzen der Freundin vorging, widerſtrebte nicht,
ſondern entließ ſie mit den gütigſten Ausdrücken. So
groß aber war ihre Achtung oder ſagen wir Scheu vor
der ſtreng ſittlichen Perſönlichkeit der Gurſiht⸗ daß ſie
niemals gegen die Letztere ihres Verhäl miſſes zu Or-
low Erwähnung zu thun wagte, obwohl, wie Herr von
Panin ganz richtig bemerkt hatte, daſſelbe eine dem
ganzen Hofe offenkundige, ja von Katharina ſelbſt an-
erkannte Thatſache war. Nur einmal noch kam ein
Tag, an welchem ſich die Fürſtin Daſchkow verzweif-
lungsvoll, den Namen Orlow auf den Lippen, zu den
Füßen der Kaiferin wand; doch war es nicht Gregor,
ſondern Alexis Orlow, dem der Ausdruck ihrer tiefin-
nerſten Empörung galt, deſſen Verbannung ſie, die
Freundin der Czarin,‚ mit allen Ausdrücken leidenſchaſft-
licher Sorge und verzweiflungsvollen Flehens forderte.
Es war am 17. Juli 1762, wenige Wochen nach der
Entthronung Peter's III., daß in St. Petersburg die
Nachricht ſich verbreitete, der Kaiſer ſei plötzlich auf ſei-
nem Luſtſchloſſe Robſchak an einem Kolikanfall verſtor-
ben. Am Hofe aber wußte noch am nämlichen Tage
der letzte Küchenjunge, daß der Czar von den Händen
Alexis Orlow's erdroſſelt worden. In jähem Ent-
ſetzen eilte die Fürſtin Daſchkow zu ihrer Gebieterin;
Katharina's Ausſehen war bleich und verſtört, aber in
ihrer Stimme lag eine unnatürliche Feſtigkeit, als ſie
das Wort ergriff: „Meinen Abſcheu über die That
werden Sie ermeſſen können, Fürſtin! Mir mangält
in der That der Ausdruck, um ihn bezeichnen. —
„Der Czar iſt zu früh geſtorben für
Majeſtät!“ entgegnete die Fürſtin mit zuternden Lip:
pen. „Aber den Verruchten, der die frevelhafte That
begangen, wird boſent —— die ganze Eenge des Ge-
ſetzes treffen“ “ ö 2*
Ihren Ruhm,
Die Kaiſerin zuckte die Achſeln. „Ware ich Herrin
meiner Handlungen, Fürſtin, ſo würde ich keinen Au-
genblick über das, was mir zu thun bliebe, in Zweifel
ſein. So aber — glauben Sie mir; wollte ich das
Geſetz anrufen oder ihm ſeinen Lauf laſſen, es würde
dies nichts anderes bedeuten, als daß ich mit eigener
Hand ven Thron umſtürzte den ich erſt ſeit wenig Ta-
gen behaupte.“
Die Fürſtin war einen Schritt zurückgetreten. „Ma-
jeſtät, das kann, das darf Ihr Ernſt nicht ſein!“ Und
da die Kaiſerin, zum Zeichen ihres feſten Entſchluſſes
nochmals ihr Haupt neigte, ſtürzte die Fürſtin in lei-
denſchaftlicher Aufwallung vor ihr auf die Knie. „Kai-
ſerliche Herrin, bedenke, vwas Du thuhſt! In meinen
Augen iſt die leuchtende Sonne nicht unſchuldiger an
dieſer entſetzlichen That, als Du es biſt. Aber wird
nicht die Verläumduug durch Dein Reich, durch ganz
Europa ziehen und tauſendſtimmig verkünden, daß Ka-
tharina es war die ihren Gatten morden ließ? wird
nicht die Stimme der Völker dieſe ungeheure Anklage
gegen Dich ſchleudern, wenn Du Dich nicht losſagſt von
dem Mörder?“ ö
Ein beer Tropfen perlte auf Katharina's Stirn,
es war, als zuckte ſie zuſammen unter einem furcht⸗—
baren phyſiſchen Schmerz. Aber ſchon in der nächſten
Sekunde richtete ſie ſich majeſtätiſch auf. „Nicht wei-
ter, Fürſtin! Wir Großen haben einmal keine Waffen
gegen niedrige, gemeine Verläumdung. Mich aber
zwingt ein Gebot, mächtiger für den Augenblick, als
alle andern, das der Selbſterhaltung, nicht zu brechen
mit den Orlow's. Früher oder ſpäter“, fügte ſie mit
einem Aufleuchten ihres Auges hinzu, das ein unbe-
fangener Beobachter dämoniſch genannt haben würde,
„kommt vielleicht einmal die Stunde, wo ich mich ih-
rer entledigen werde! — Saſſen wir den Gegenſtand
fallen! Oder“, fügte ſie, plötzlich wieder in den Ton
unwiderſtehlichſter Mebenswürdigkeit hinzu, „oder wünſcht
etwa die Fürſtin Daſchkow, deren energiſchem Handeln
ich meinen Thron verdanke, die Czarenkrone noch vor
einmal vollendetem Mondwechſel wieder von meinem
Haupte fallen zu ſehen?“
Ihre weinenden Augen drückte die Fürſtin gegen
das Gewand der Kaiſerin, dann ſtand ſie raſch auf
und bat, ſich zurückziehen zu dürſen. Katharina nickte
ihr huldvoll zu. „Morgem aber, Katinka Romanowna“,
rief ſie der bereits in der Thür Befindlichen noch nach.
„hoffe ich, um dieſelbe Stunde Sie wieder bei mir zu
ſehen — vergeſſen Sie das nicht!“
Vr. 16.
Mittwoch, den 25. Bsnar 187⁷ 7
7. Johrg.
rſcheint WIITo und Samſcag. Preis monatlich 12 kr.
und bei den Trägern.
Einzelne NRummer à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Man abonnirt beim Verleger, Shfe 4,
Die Freunde der Kaiſerin
Hiſtoriſche Skizze von Th. Juſtus.
(Schluß.)
Erſchüttert bedeckte die Fürſtin die Hände der Cza-
rin mit Küſſen und heiß wie nur je flammmte in ih-
rem Herzen die Liebe zu der wunderbaren Frau in die-
ſem Augenblicke wieder auf. Trotzdem aber ſagte ſie
ſich mit der ihr eigenen unbeirrbaren Geiſtesklarheit,
daß für den Beſtand des Verhältniſſes zwiſchen ihr und
der Kaiſerin eine zeitweil 100 Trennung durchaus von-
nöthen ſei. Katharina, welche deutlich fühlte, was in
dem Herzen der Freundin vorging, widerſtrebte nicht,
ſondern entließ ſie mit den gütigſten Ausdrücken. So
groß aber war ihre Achtung oder ſagen wir Scheu vor
der ſtreng ſittlichen Perſönlichkeit der Gurſiht⸗ daß ſie
niemals gegen die Letztere ihres Verhäl miſſes zu Or-
low Erwähnung zu thun wagte, obwohl, wie Herr von
Panin ganz richtig bemerkt hatte, daſſelbe eine dem
ganzen Hofe offenkundige, ja von Katharina ſelbſt an-
erkannte Thatſache war. Nur einmal noch kam ein
Tag, an welchem ſich die Fürſtin Daſchkow verzweif-
lungsvoll, den Namen Orlow auf den Lippen, zu den
Füßen der Kaiferin wand; doch war es nicht Gregor,
ſondern Alexis Orlow, dem der Ausdruck ihrer tiefin-
nerſten Empörung galt, deſſen Verbannung ſie, die
Freundin der Czarin,‚ mit allen Ausdrücken leidenſchaſft-
licher Sorge und verzweiflungsvollen Flehens forderte.
Es war am 17. Juli 1762, wenige Wochen nach der
Entthronung Peter's III., daß in St. Petersburg die
Nachricht ſich verbreitete, der Kaiſer ſei plötzlich auf ſei-
nem Luſtſchloſſe Robſchak an einem Kolikanfall verſtor-
ben. Am Hofe aber wußte noch am nämlichen Tage
der letzte Küchenjunge, daß der Czar von den Händen
Alexis Orlow's erdroſſelt worden. In jähem Ent-
ſetzen eilte die Fürſtin Daſchkow zu ihrer Gebieterin;
Katharina's Ausſehen war bleich und verſtört, aber in
ihrer Stimme lag eine unnatürliche Feſtigkeit, als ſie
das Wort ergriff: „Meinen Abſcheu über die That
werden Sie ermeſſen können, Fürſtin! Mir mangält
in der That der Ausdruck, um ihn bezeichnen. —
„Der Czar iſt zu früh geſtorben für
Majeſtät!“ entgegnete die Fürſtin mit zuternden Lip:
pen. „Aber den Verruchten, der die frevelhafte That
begangen, wird boſent —— die ganze Eenge des Ge-
ſetzes treffen“ “ ö 2*
Ihren Ruhm,
Die Kaiſerin zuckte die Achſeln. „Ware ich Herrin
meiner Handlungen, Fürſtin, ſo würde ich keinen Au-
genblick über das, was mir zu thun bliebe, in Zweifel
ſein. So aber — glauben Sie mir; wollte ich das
Geſetz anrufen oder ihm ſeinen Lauf laſſen, es würde
dies nichts anderes bedeuten, als daß ich mit eigener
Hand ven Thron umſtürzte den ich erſt ſeit wenig Ta-
gen behaupte.“
Die Fürſtin war einen Schritt zurückgetreten. „Ma-
jeſtät, das kann, das darf Ihr Ernſt nicht ſein!“ Und
da die Kaiſerin, zum Zeichen ihres feſten Entſchluſſes
nochmals ihr Haupt neigte, ſtürzte die Fürſtin in lei-
denſchaftlicher Aufwallung vor ihr auf die Knie. „Kai-
ſerliche Herrin, bedenke, vwas Du thuhſt! In meinen
Augen iſt die leuchtende Sonne nicht unſchuldiger an
dieſer entſetzlichen That, als Du es biſt. Aber wird
nicht die Verläumduug durch Dein Reich, durch ganz
Europa ziehen und tauſendſtimmig verkünden, daß Ka-
tharina es war die ihren Gatten morden ließ? wird
nicht die Stimme der Völker dieſe ungeheure Anklage
gegen Dich ſchleudern, wenn Du Dich nicht losſagſt von
dem Mörder?“ ö
Ein beer Tropfen perlte auf Katharina's Stirn,
es war, als zuckte ſie zuſammen unter einem furcht⸗—
baren phyſiſchen Schmerz. Aber ſchon in der nächſten
Sekunde richtete ſie ſich majeſtätiſch auf. „Nicht wei-
ter, Fürſtin! Wir Großen haben einmal keine Waffen
gegen niedrige, gemeine Verläumdung. Mich aber
zwingt ein Gebot, mächtiger für den Augenblick, als
alle andern, das der Selbſterhaltung, nicht zu brechen
mit den Orlow's. Früher oder ſpäter“, fügte ſie mit
einem Aufleuchten ihres Auges hinzu, das ein unbe-
fangener Beobachter dämoniſch genannt haben würde,
„kommt vielleicht einmal die Stunde, wo ich mich ih-
rer entledigen werde! — Saſſen wir den Gegenſtand
fallen! Oder“, fügte ſie, plötzlich wieder in den Ton
unwiderſtehlichſter Mebenswürdigkeit hinzu, „oder wünſcht
etwa die Fürſtin Daſchkow, deren energiſchem Handeln
ich meinen Thron verdanke, die Czarenkrone noch vor
einmal vollendetem Mondwechſel wieder von meinem
Haupte fallen zu ſehen?“
Ihre weinenden Augen drückte die Fürſtin gegen
das Gewand der Kaiſerin, dann ſtand ſie raſch auf
und bat, ſich zurückziehen zu dürſen. Katharina nickte
ihr huldvoll zu. „Morgem aber, Katinka Romanowna“,
rief ſie der bereits in der Thür Befindlichen noch nach.
„hoffe ich, um dieſelbe Stunde Sie wieder bei mir zu
ſehen — vergeſſen Sie das nicht!“