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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 26 - Nr. 34 (1. April - 29. April)
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Säamſtag, den 18. April 1874.

7. Johrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Prels monatlich 12 kr. Sinzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4

und bei den Traͤgern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. 9

Der Mulatte.

Rovelle vom E. Brunn⸗Gabris.

(Fortſetzung).

Mis. Leſter, eine ältliche, verwittwete Amerikanerin,
die eine Art Geſellſchafterin Elſinore's war, zog ſich ſo
oft wie möglich in ihr Zimmer zurück, da ſie die Ein-

ſamkeit und vor allem die ungezwungenſte Bequemlich-

keit liebte, ſo daß die beiden jungen Männer häufig
mit Vater und Tochter allein waren. Dieſe Beſuche
des Grafen waren die einzige Gelegenheit, bei der er
wenigſtens einige kalte, höfliche Worte — denn dar-
über hinaus ließ es Fenno nicht kommen — mit dem
Mulatten wechſeln konnte, denn ſobald mehrere Gäſte

oder eine geladene Geſellſchaft zugegenl waren, ließ ſich
letzterer durchaus nicht bewegen, ſich unter dieſelben zu

miſchen. Ebenſo beharrlich wie Fenno gegen jede An-
näherung kämpfte, ſuchte der Graf eine ſolche anzubah-
nen, und Herr Walden ſah oft lächelnd auf dieſe Be-
harrlichkeit Beider, ohne ſich jedoch direkt einzumiſchen.
Elſinore hatte in Gegenwart des Grafen mehrmals ver-
ſucht, Fenno durch irgend eine in hochmüthigeſcharfem
Ton geſprochene Bemerkung zu verletzen, die dieſer,
wie immer ſchweigend und unbewegt hinnahm, während
der Graf die junge Dame in feinſter Weiſe darauf

aufmerkſam zu machen wußte, daß er dieſes Benehmen

tadelnswerth finde und ſich in Fenno's Seele dadurch
verletzt fühle, ſo daß Elſinore dies aufgab, ohne beim

Alleinſein dem Schützling ihres Vaters eine Kränkung

zu erſparen. Fenno war eifrig mit dem Vorarbeiten
zum Staatsexamen beſchäftigt und beſuchte die Vorle-

ſungen, und um ſich in der Plaxis zu üben, die Laza-

rethe fleißig. Profeſſor Schucker, der mit ſeinem Lobe
ſehr zurückhaltend war und ſelten Vertrauen zu ſeinen

Schülern und jungen Kollegen faßte, ſetzte große Hoff-

nungen auf Fenno und prophezeite ihm eine ruhmvolle Zu-

kunft; auch hatte er ihm das Anerbieten gemacht, ihm
jederzeit ſeinen Rath ertheilen zu wollen und ſtellte ihm
ſeine reichen Hülfsmittel an Büchern und dergleichen

zur Verfügung.

An einem warmen Sommertage war es, als Fenno
mit einigen Büchern unter dem Arm in den Garten

hinabging, um dort in einer der Lauben ſich niederzu
laſſen. Er war bald ganz in ſeine Lektüre vertieft,

und achtete nicht darauf, daß der Kies leiſe unter leich-
ten Tritten knirſchte, erſt als ein Schatten auf das

nore.
erſchrecken.

ſchmerzlich.

Vermeſſenheit, daß Du mich ſo furchtbar quälſt.
ich fliehen dürfte, mich frei machen dürfte — doch nein
— wie darf ich gegen den Wunſch deſſen handeln, dem
iich ſo viel, ſo ſehr viel verdanke.“ Dann änderte ſich

Buch fiel, ſah er auf und erblickte Elſinore, die eben
die Laube betrat. Er erhob ſich ſogleich und machte
Miene, ſich zu entfernen.
„Sind Sie ſchon in der R'ſchen Menagerie gewe-
ſen?“ fragte Fräulein Walden. ͤ
„Ja, Miß.“ *
„So werden Sie mich heute Nachmittag um vier
Uhr dahin begleiten.“ ö
„Miß —
„Nun“, unterbrach ſie ihn, „haben Sie Einwendun-
gen dagegen zu machen?“ ö
„Gewiß nicht, ich war nur überraſcht.“ ö
„Weil ich Ihre Begleitung wünſche“, ſagte ſie ſpöt-
tiſch, „denken Sie, es ſei mir daran gelegen! — Ich
wollte Sie nur mit dem Wollkopf Sam vergleichen, da
es mir Spaß macht, Sie wieder einmal mit einem,
deſſen Stamm Sie angehören, zuſammen zu ſehen.“
„Miß“, begann Fenno ſtolz, „auch Sie können zu
weit gehen. Ich bin es gewohnt, von Ihnen mit Hoch-
muth und Verachtung behandelt zu werden und habe
nie dagegen gemurrt, doch ſeit einiger Zeit verletzen Sie

mich durch die empörendſte Behandlung ſogar in Gegen-

wart Anderer. Ich hätte längſt diefes Haus verlaſſen,
wenn Ihr Herr Vater nicht wünſchte, daß ich bleibe.
Aber wie geſagt, auch Sie können das Maß überſchrei-
ten, ich bin nicht fähig, Alles zu ertragen. Sagen
Sie, ob Sie mit Ihrer Behandlung bezwecken, mich
dap dem Hauſe zu treiben, ich gehe gern, wenn ich
darf.“ ö ö
„Papa beging leider die Unklugheit, Ihnen die
Freiheit zu geben, ſonſt würden Sie nicht ſo ſprechen
dürfen.“ ö
Fenno's ſtets unbewegtes Antlitz erblaßte bei dieſen
Worten, ſo daß ſelbſt aus den Lippen jeder Blutstro-
pfen gewichen zu ſein ſchien, ſeine großen, traurigen Au-
gen ſahen mit ſchmerzlich-vorwurfsvollem Blick auf Elſi-
Dieſe gewahrte die Veränderung und ſchien zu

„Sie kommen heute Nachmittag?“ fragte ſie mit

„Feenno neigte zuſtim end das Haupt. Als Elſinore
gegangen war, ſank er auf die Bank zurück, er ſtöhnte

nicht ganz feſter Stimme.

Elſinore“, murmelte er, „ahnſt Du 9965
Da

„Elſinore,
 
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