Nr. 32.
Mittwoch, — 22. April 1874.
7. Zonn.
Erſcheint Wioc n und Samſtag. Preis monatlich 12 kr.
und 5i den n Trägern.
nzelde Mam à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Man abonnirt beim Verlader, Schifgaſe 4
Der Mulatte.
Rovelle von C. Brunn⸗Gabris.
(Fortſetzung).
VUnum Gotteswillen, iſt er das Opfer geworden?“ fragte
derſelbe angſtvoll.
NVoch iſt Leben in ihm“, entgegnete der Profeſſor.
Die Unterſuchung ergab, daß der linke, furchtbar zer-
fleiſchte Arm zweimal gebrochen war, die Kopfwunde eine
bedenkliche ſei, außerdem waren einige leichte Wunden
vorhanden.
„Wird man ihn in ſeine Wohnung bringen können?“
fragte der Graf.
WMit größter Vorſicht, ja. Wenn ich mit dem vor-
läufigen Verbande ſertig bin, werde ich alles Nöthige
anordnen. Sie gehen wohl zu Fräulein Walden hinaus
und bitten dieſelbe, daß ſie vorausfährt, um zu Hauſe
Vorbeitungen zur Aufnahme des Berwundeten treffen
zu laſſen.“
Herr Walden war tief erſchüttert als Elſinore bleich
und ſchluchzend zurückkam, um ihm die Schreckenskunde
zu beſtätigen.
„Armer, ſeſor bat ge Fenno!“ rief er, vlebt er?“
„Der Profeſſor hat geſagt: noch iſt Leben in ihm.
O Papa, dieſes „noch“ klingt ſchon wie ein Todesurtheil.
Entſetzlich, entſetzlich, ſo umkommen zu müſſen! — Fenno
Fenno, hätte ich Dich nicht hingeführt.“
ö Herr Walden achtete kaum ihre Worte. Ihr tiefer
Schmerz ſchien ihm allzu natürlich und gerecht, als daß
er verſucht hätte, ihm Einhalt zu thun. Er ließ ſie al-
lein in ſeinem Zimmer, wo ſie mit banger Qual der
Ankunft des Verwundeten entgegenharrte. ö
Der Profeſſor Schucker begleitete ſeinen Liebling,
und auch Graf Falkenburg ließ es ſich nicht nehmen,
ſeinem Reꝛter zu folgen, der jetzt ſchwach athmete, aber
noch immer bewußtlos war.
Herr Walden neigte ſich mit Thränen in den Augen
über Fenno und bat den Profeſſor Schucker dringend,
ihn für's Crſte nicht zu verlaſſen.
„Gewiß nicht“, erwiderte dieſer, „ich ſchätze den jun-
gen Mann ſo hoch, daß ich mit: doppelter Theilnahme
Alles thun werde, um ſein Lehen zu erhalten. — Er
würde todt ſein, wenn die Kraft des Thieres, als es
ſich auf ihn warf, nicht ſchon im Verlöſchen geweſen
wäre.“
Graf Falkenburg ſaß ſoweigend am Lager des Lei-
denden und ſtarrte mit tiefem Schmerz auf deſſen todt-
blaſſes Antlitz — nur das leiſe Athmen verkündete das
Leben Fenno's. Als er dann die Augen endlich auf-
ſchlug, irrten ſie mit mattem Blick umher, er ſchien Nie-
mand zu erkennen.
„Waſſer“, ſagte er kaum hörbar,
getrunken, ſchloß er die Augen wieder.
Die Nacht brach herein — noch immer lag Fenno
in dem Zuſtand halber Betäubung, noch immer war
der Profeſſor, Graf Falkenburg und Herr Walden um
ſein Lager verſammelt, noch immer lag Eiſinore drüben
in ihrem Zimmer weinend und Gebete ſtammelnd, auf
den Knien.
„Mein Gott, mein Gott, er darf nicht ſterben!“
ſchluchzte ſie, nimm ihn mir nicht, laß mich gut machen.
— O Fenno, Fenno, geh' nicht ſo von mir, nicht ſo —
nicht ſo — Fenno. — Und ſie wollen mich nicht einmal
zu ihm laſſen; ich darf nicht vor ihm knien — darf kein
Wort der Verzeihung von ihm hören. O und vielleicht
kann er es nicht mehr ſprechen, vielleicht ſtirbt er in die-
ſer Minute. — Nein, nein“, ſchrie ſie anſpringend, „er
darf nicht ſterben; mein Gott, laß ihn mir! Gott, mein
Gott, ſo graufam kannſt Du nicht ſein, er darf nicht
ſterben — nimm ihn mir nicht.“ ö
Sie öffnete die Thür und lauſchte hinaus auf den
Korridor. Tiefe Stille herrſchte im Hauſe, ihr ſchien
ſie wirklich das Schweigen des Todes. Mit angſtpochen-⸗
dem Herzen ſchlich ſie an die Thür von Fenno's Zim-
mer und lauſchte auch hier und vernahm auch hier kei-
nen Laut. Leiſe drückte ſie die Thürklinke nieder und
trat geräuſchlos ein. Der Profeſſor bemerkte ſie und
näherte ſich ihr ö ö
„Wie iſt es?“ flüſterte ſie.
„Noch daſſelbe Schwanken zwiſchen Tod und Leben,
ich kann noch nichts entſcheiden. Aber ſeien Sie ruhig,
ſeien Sie feſt, Gott wird helfen.“ ö ö
„Kann ich irgend etwas thun?“
„Laſſen Sie für Ihren Herrn Vater und dem Gra-
fen etwas zu eſſen beſorgen und auch Wein, ſie n
Beide noch nichts genoſſen.“
„Auch Sie nicht.“ ‚
„Ich danke, ich habe vorhin Wein eernurten n und be-
b6 keiner weiteren Stärkung.“ ö ö
„Wollen Sie mir Nachricht geben, ſobald eine Ver-
änderung eintritt?“
„Gewiß! Augenblicklich!“
Elſinore ging und bat Mrs. Leſter, den Herren beim
Übendeſſen Ge ſellſchaſt zu leiſten, ſie ſei nicht im Standt ö
und nachdem er
Mittwoch, — 22. April 1874.
7. Zonn.
Erſcheint Wioc n und Samſtag. Preis monatlich 12 kr.
und 5i den n Trägern.
nzelde Mam à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Man abonnirt beim Verlader, Schifgaſe 4
Der Mulatte.
Rovelle von C. Brunn⸗Gabris.
(Fortſetzung).
VUnum Gotteswillen, iſt er das Opfer geworden?“ fragte
derſelbe angſtvoll.
NVoch iſt Leben in ihm“, entgegnete der Profeſſor.
Die Unterſuchung ergab, daß der linke, furchtbar zer-
fleiſchte Arm zweimal gebrochen war, die Kopfwunde eine
bedenkliche ſei, außerdem waren einige leichte Wunden
vorhanden.
„Wird man ihn in ſeine Wohnung bringen können?“
fragte der Graf.
WMit größter Vorſicht, ja. Wenn ich mit dem vor-
läufigen Verbande ſertig bin, werde ich alles Nöthige
anordnen. Sie gehen wohl zu Fräulein Walden hinaus
und bitten dieſelbe, daß ſie vorausfährt, um zu Hauſe
Vorbeitungen zur Aufnahme des Berwundeten treffen
zu laſſen.“
Herr Walden war tief erſchüttert als Elſinore bleich
und ſchluchzend zurückkam, um ihm die Schreckenskunde
zu beſtätigen.
„Armer, ſeſor bat ge Fenno!“ rief er, vlebt er?“
„Der Profeſſor hat geſagt: noch iſt Leben in ihm.
O Papa, dieſes „noch“ klingt ſchon wie ein Todesurtheil.
Entſetzlich, entſetzlich, ſo umkommen zu müſſen! — Fenno
Fenno, hätte ich Dich nicht hingeführt.“
ö Herr Walden achtete kaum ihre Worte. Ihr tiefer
Schmerz ſchien ihm allzu natürlich und gerecht, als daß
er verſucht hätte, ihm Einhalt zu thun. Er ließ ſie al-
lein in ſeinem Zimmer, wo ſie mit banger Qual der
Ankunft des Verwundeten entgegenharrte. ö
Der Profeſſor Schucker begleitete ſeinen Liebling,
und auch Graf Falkenburg ließ es ſich nicht nehmen,
ſeinem Reꝛter zu folgen, der jetzt ſchwach athmete, aber
noch immer bewußtlos war.
Herr Walden neigte ſich mit Thränen in den Augen
über Fenno und bat den Profeſſor Schucker dringend,
ihn für's Crſte nicht zu verlaſſen.
„Gewiß nicht“, erwiderte dieſer, „ich ſchätze den jun-
gen Mann ſo hoch, daß ich mit: doppelter Theilnahme
Alles thun werde, um ſein Lehen zu erhalten. — Er
würde todt ſein, wenn die Kraft des Thieres, als es
ſich auf ihn warf, nicht ſchon im Verlöſchen geweſen
wäre.“
Graf Falkenburg ſaß ſoweigend am Lager des Lei-
denden und ſtarrte mit tiefem Schmerz auf deſſen todt-
blaſſes Antlitz — nur das leiſe Athmen verkündete das
Leben Fenno's. Als er dann die Augen endlich auf-
ſchlug, irrten ſie mit mattem Blick umher, er ſchien Nie-
mand zu erkennen.
„Waſſer“, ſagte er kaum hörbar,
getrunken, ſchloß er die Augen wieder.
Die Nacht brach herein — noch immer lag Fenno
in dem Zuſtand halber Betäubung, noch immer war
der Profeſſor, Graf Falkenburg und Herr Walden um
ſein Lager verſammelt, noch immer lag Eiſinore drüben
in ihrem Zimmer weinend und Gebete ſtammelnd, auf
den Knien.
„Mein Gott, mein Gott, er darf nicht ſterben!“
ſchluchzte ſie, nimm ihn mir nicht, laß mich gut machen.
— O Fenno, Fenno, geh' nicht ſo von mir, nicht ſo —
nicht ſo — Fenno. — Und ſie wollen mich nicht einmal
zu ihm laſſen; ich darf nicht vor ihm knien — darf kein
Wort der Verzeihung von ihm hören. O und vielleicht
kann er es nicht mehr ſprechen, vielleicht ſtirbt er in die-
ſer Minute. — Nein, nein“, ſchrie ſie anſpringend, „er
darf nicht ſterben; mein Gott, laß ihn mir! Gott, mein
Gott, ſo graufam kannſt Du nicht ſein, er darf nicht
ſterben — nimm ihn mir nicht.“ ö
Sie öffnete die Thür und lauſchte hinaus auf den
Korridor. Tiefe Stille herrſchte im Hauſe, ihr ſchien
ſie wirklich das Schweigen des Todes. Mit angſtpochen-⸗
dem Herzen ſchlich ſie an die Thür von Fenno's Zim-
mer und lauſchte auch hier und vernahm auch hier kei-
nen Laut. Leiſe drückte ſie die Thürklinke nieder und
trat geräuſchlos ein. Der Profeſſor bemerkte ſie und
näherte ſich ihr ö ö
„Wie iſt es?“ flüſterte ſie.
„Noch daſſelbe Schwanken zwiſchen Tod und Leben,
ich kann noch nichts entſcheiden. Aber ſeien Sie ruhig,
ſeien Sie feſt, Gott wird helfen.“ ö ö
„Kann ich irgend etwas thun?“
„Laſſen Sie für Ihren Herrn Vater und dem Gra-
fen etwas zu eſſen beſorgen und auch Wein, ſie n
Beide noch nichts genoſſen.“
„Auch Sie nicht.“ ‚
„Ich danke, ich habe vorhin Wein eernurten n und be-
b6 keiner weiteren Stärkung.“ ö ö
„Wollen Sie mir Nachricht geben, ſobald eine Ver-
änderung eintritt?“
„Gewiß! Augenblicklich!“
Elſinore ging und bat Mrs. Leſter, den Herren beim
Übendeſſen Ge ſellſchaſt zu leiſten, ſie ſei nicht im Standt ö
und nachdem er