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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 10 - Nr. 17 (4. Februar - 28. Februar)
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ANr. 151ũꝛHò

Heidelberger v.

ÜkKsblatt.

— Samſtag, den 21. Februar 187⁴4.

7. Juhrl.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim
* ö * und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Verleger „ ‚ Schiffgaſſe ,

Die Freunde der Kaiſerin.
„Hiſtoriſche Skizze von Th. Juſtus.
(Fortſetzung.)

„Einen Augenblick noch, Majeſtät, ich bitte dringend

Katharina Großmeiſter deſſelben geworden.
Lächeln ſpielte um den Mund der Kaiſerin.
Ihnen, Katinka Romanowna!

darum!“ Ein befremdeter Blick der Monarchin ſchien
Aufklärung über dies ſeltſame Verlangen zu fordern;
allein ohne weiter ein Wort zu verlieren, war die Für-
ſtin zu Herrn von Panin getreten. „Mit Ihrer güti-

gen Erlaubniß, mein Oheim!“ und mit einer graziöſen

Bewegung nahm ſie von ſeiner Bruſt das breite blaue
Band des St. Andreas⸗Ordens, welches ſie in der näch-
ſten Sekunde mit tiefer, ehrerbietiger Verbeugung der
Kaiſerin über reichte. Keine andere Frau konnte dieſen

höchſten Orden des ruſſiſchen Reiches erhalten; als re-

gierende Herrſcherin aber war von dieſer Stunde an
Ein feines
„Ich danke
Sie haben vollkommen

Recht, wie in allem, was Ihr kluges Köpfchen aus-

ſihnt. Nehmen Sie als Entgelt das Band, das ich bis-

her getragen, und“, fügte ſie, die Dekoration des Ka-

tharinenordens abnehmend und um den Nacken der
Fürſtin legend, hinzu, „möchte unter ihm Ihr Herz
nie in ſo tödtlicher Ungewißheit ſchlagen,

wie es das
meine in dieſen letzten Stunden gethan!“
Im nächſten Augenblick war die Kaiſerin auf den
Balkon hinausgetreten und donnernder, ſinnverwirren-
der, betäubender Jubelruf empfing ſie. Sie aber ver-
neigte ſich mit ruhiger Hoheit nach allen Seiten — ge-
dachte ſie vielleicht jenes Augenblickes, da Graf Leſtocg,
der allmächtige Miniſter Eliſabeth's, die junge, deutſche

Prinzeſſin hatte wieder heimſchicken wollen, weil ſie

ihm für die Verbindung mit dem Großfürſten nicht

mehr konvenirte? Damals hatte Katharina die Demü-

thigung verſchmerzt, ihren Stolz dem unabänderlich fe-
ſten Vorſatz unterordnend, ſich aufzuſchwingen zur Herr-

ſcherin dieſes ungeheuren Reiches — und heute, heute

endlich war dieſes Ziel erreicht, glänzte die Czarenkrone
Rußlands auf ihrem Haupte! — —

Noch am nämlichen Vormittag ſetzte der größte

Theil der in Petersburg befindlichen Truppen ſich nach

Peterhof in Bewegung, an ihrer Spitze die Kaiſerin,
begleitet von der Fürſtin Daſchkow, Beide zu Pferde
und gekleidet in die alte nationale, von Peter III. ab-

— geſchaffte Uniform der Preobraſchenski'ſchen Garden.

Eben als die Kaiſerin ſich in den Sattel geſchwungen
hatte, wobei ihr Gregor Orlow die Dienſte eines Stall-
meiſters leiſtete, bemerkte ſie zu Uhrem Mißbehagen, daß
ihrem Degen das Porte d'epee fehle. Wie ſuchend
blickte ſie einen Augenblick im Kreiſe umher: da ſpornte
ein junger Wachtmeiſter von den zur Eskorte der Kai-

ſerin kommandirten Reitern ſein Pferd einige Schritte

vorwärts, parirte daſſelbe unmütelbar zur Seite der
Monarchin und überreichte der Letzteren mit einer an⸗—
muthigen Bewegung das Porte d'rpee, welches er von
dem eignen Säbel losgelöſt. Ein wohlgefälliger Blick

flog aus den Augen Katharina's über das kühngeſchnit-

tene Geſicht, die prachtvoll gebaute Geſtalt des Reiters
und mit anmuthig⸗gewinnendem Lächeln neigte ſie das
Haupt, „Dein Name?“
„Gregor Alexandrowitſch Potemkin, Kaiſerlicher Ma-
jeſtät zu dienen!“ ſalutirte der Reiter. ö
„Es iſt gut!“ nickte die Kaiſerin gnädig. „Wir
werden dieſen Dienſt in Unſerem Gedächtniß behalten.“
Als der junge Wachtmeiſter ſein Pferd herumwarf,
trafen ſeine Augen und diejenigen Gregor Orlow's zu-
ſammen. Die des Letzteren blickten finſter und dro-
hend. Ahnte er vielleicht inſtinktiv in jenem Manne
ſchon den Nebenbuhler, welcher dereinſt ſeinen Sturz
veranlaſſen ſollte? —
Die klägliche Rolle, welche Peter III. gegenüber dem
entſchloſſenen Vorgehen ſeiner Gemahlin ſpielte, iſt aus
der Geſchichte genugſam bekannt. Anfangs geneigt,
dem Rathe des greiſen Feldmarſchalls Münnich zu fol-
gen und ſich nach Kronſtadt zu begeben, wo die Beſatz-
ung ihm noch treu und auch die Flotte in ſeiner Ges
walt war, änderte der ſchwache Monarch bald dieſen
Entſchluß und faßte den Plan, ſich in Peterhof zu ver-
theidigen. Vergebens ſtellte man ihm die Unmöglich-
keit eines ſolchen Unternehmens vor; er beharrte bei
ſeinem Vorſatz, bis Abends gegen acht Uhr ein Cou-
rier mit Staub und Schweiß bedeckt, die Nachricht

brachte, daß die Kaiſerin mit 20,000 Mann im Anzuge
auf Peterhof ſei. raiſ
auf einer bereitliegenden Hacht ſich nach Kronſtadt zu
begeben — allein zu ſpät! Koſtbare Stunden hatte man

Da erſt entſchloß ſich der Kaiſer,

unbenutzt verſtreichen laſſen. Während dieſer Zeit war
der Kommandant von Kronſtadt durch Abgeſandte der
Kaiſerin ſeines Poſtens entſetzt und die geſammte Gar-

niſon für Katharing in Eid und Pflicht genommen

worden. Als die kaiſerliche acht ſich dem Hafen nä-
herte, ſandte der Admiral Talitzin einen ſeiner Offi-
— ö
 
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