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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 26 - Nr. 34 (1. April - 29. April)
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Heidelberger Volkoblatt.

TIr. 29.

Samſtag, den 11. April 1874.

7. Jahrj.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4

und bei den Trägern. Auswärks bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Der Mulatte.
Novelle von C. Brunn⸗Gabris-

(Fortſetzung).

„Miß Walden kann mich kaum belei igen, ich ver

geſſe niemals, was ich der Tochter meines Wohlthäters
ſchuldig bin.“
„Junge, mach' keine Redensarten. Was iſt da
Wohlthat! Etwa, daß ich Dir die Freiheit, die ein nie-
derträchtiger Schurke Dir raubte, wiederverſchaffte, oder
daß ich die paar Dollars für Dich auslegte, wenn
Du denn doch einmal darauf beſtehſt, mein Schuldner
zu ſein?“
„Ihr Schuldner bleibe ich auf jeden Fall, auch wenn
es mir gelang, Ihnen das Geld wiederzuerſtatten; denn
Mr. Walden, mögen Sie Ihre Verdienſte ſo gering
darſtellen, als Sie wollen, ich weiß und fühle, was ich
Ihnen verdanke.“ *
„Weißt Du was, Fenno! Ich denke, man könnte
lange unter dieſen hochnaſigen, jungen Herren hier um-
herſuchen, ehe man einen von Deinen Geſinnungen,
Deinem Charakter fände. Ich wollte ich könnte mit
einem Schlage das nichtsnutzige Vorurtheil vernichten,
das ſie gegen Dich haben, damit ſie ſich einmal die
Mühe gäben, Deine Vorzüge kennen zu lernen.
„Das iſt ein ſehr freundlicher Wunſch, Herr Wal-
den“, entgegnete Fenno, während der Diener das Abend⸗—
eſſen für ihn ſervirte. ö
Herr Walden winkte, er ſollte ſchweigen, bis der
Diener das Zimmer verlaſſen; nachher ſagte er:
„Joſeph iſt treu und anhänglich und hat beſonders

große Zuneigung zu Dir, er braucht's aber doch nicht
heute wahrlich das heitere Geſicht Falkenburg's.

zu hören. Was wollteſt Du ſagen?“
„Das es nie gelingen würde, dieſes Vorurtheil ganz
zu vernichten, bei keinem Menſchen.“
„Das ſagſt Du mir, Fenno!“ ö
„Ja, Herr Walden, ohne irgend eine mißgünſtige
—Meinung dabei zu haben. Augenblicklich iſt nichts vor-
handen, was die Stelle in Ihrem Herzen angreift, wo-
hin ſich das Vorurtheil verkrochen, und ich weiß auch
daß Sie ſich nie davon ſo werden beeinfluſſen laſſen,
wie Andere, doch da iſt es. Ich hörte kürzlich von ei-
nem als gutherzig bekannten Menſchen die Aeußerung:
Ja, ſelbſt wenn man ſich Mühe gäbe, die Abneigung
zu überwinden, es geht nicht, der Widerwille gegen die
Farbigen iſt allen Weißen angeboren.“

„Unſinn, Farbigen! Wenn ich nicht genau wüßte
wer Deine Eltern waren, würde ich Dich für einen
Südländer, niemals für einen Mulatten halten, von
dem Du nur das „Schöne“ haſt. Weißt Du nicht,
wie viele Maler ſchon in Dir ihr Ideal fanden?“
„Das Ideal eines Mulatten?ꝰ
„Unſinn ſage ich nochmals. Wer es nicht ander-
weitig erfahren, könnte nimmermehr nach Deinem Aus-
ſehen behaupten, daß Deine Mutter eine Schwarze war.“
Fenno legte mit einem traurigen Blick ſeine Hand
vor Herrn Walden auf den Tiſch.
„Was iſt? Dies iſt eine ſehr ſchöne Hand.“
„Trägt ſie nicht das Merkmal meiner Abkunft?
Wird nicht ein Jeder an dem Fehlen der Luna ſie er-
kennen?“ ö
„Sag' mal, was iſt Dir denn geſchehen, daß Du
heute gar nicht zu beruhigen biſt.“
„Nun, Miß Elſinore's Bemerkung, und dann —
Graf Falkenburg iſt heute abgereiſt.“
„So; er kam ja geſtern ganz feierlich, ich dachte
Wun⸗ es gelte Elſinore, aber was hat er damit zu
thun?W
„Er wollte mich überzeugen, daß er von jedem Vor-
urtheil frei ſei.“ ö
„Und Du wollteſt Dich nicht überzeugen laſſen;
kann's mir lebhaft denken; doch Du läßt Alles kalt

werden, wenn ich hier mit Dir ſchwatze, ich gehe wie-

der zu Elſinore, wenn Du Luſt haſt, komme nach-
her auch.“ ö ö
Der Diener hatte längſt den Tiſch wieder abgeräumt,
als Fenno noch immer an demſelben ſaß; in tiefes
ſugt. verloren, hatte er den Kopf in die Hand ge-
ütztt. —
„Wie ſchwach ich bin“, murmelte er, „ich bermihis
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heißt, ſein Bruder werde bald hierher kommen, ob er
ihm gleicht? Doch weg mit dieſen Gedanken, die zu
nichts taugen!“ rief er aufſpringend und kehrte wieder
in den Salon zurück.
Elſinore ſaß am Pianino und klimperte gedankenlos

bald einige Takte einer Opern-Arie oder eines Tanzes,

bald ließ ſie ihre zierlichen, kleinen Finger in einer
brillanten Cadenz über die Taſten laufen. Sie ſpielte

ausgezeichnet Klavier und marterte nur ihren Vater
und Fenno mit dieſen abgebrochenen in Pauſen auf-

einanderfolgenden Takten; es kam ihr auch gar nicht.
darauf an, von einer Tonart jäh in die andere zu fal-
len, ohne irgend welchen Uebergang — ihr Vater hörte
 
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