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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 1 - Nr. 9 (3. Januar - 31. Januar)
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Mittwoch, den 28. Januar 1874.

7. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt beim Verleger, Schiffgaſſe 4,
— und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Zu ſpät!
Novelle von Clariſſa Lohde.

(Sortſetzung.)

„Ich weiß es“, entgegnete Bodo in ruhig höflichem
one.
Der Rittmeiſter wurde noch dunkler im Geſicht —
„Sie wollen ſich alſo ſtatt des Mufikanten mit mir
ſchlagen?“
„Wenn Sie Ihre beleidigenden Worte nicht zurück-
nehmen — gewiß!“ ö
„Nun wohl — ſo ſind wir zu Ende — jetzt laſſen
Sie mich gehen — ich werde Ihnen meinen Sekundan-
ten ſchicken.“
Bodo verneigte ſich und trat lang ſam zurück, der
Weg war frei.
Der Rittmeiſter ging mit großen Schritten weiter
den Weg entlang, den Paul mit Aurelie genommen.
Die Unterhaltung hatte indeſſen lange genug gedauert,
um Beide in Sicherheit und aus dem Geſichtskreis des
Rittmeiſters zu bringen. ö
Bodo ging feſten Schrittes den Damen nach. Mit
der früheren Freundlichkeit reichte er Jenny den Arm,
nichts verrieth, was geſchehen.
„Wie iſt Dein Rencontre mit dem Rittmeiſter abge-
laufen?“ fragte Jenny beſorgt. ö
„Du ſiehſt, ich habe ihn aufgehalten“, war ſeine
ſcherzende Antwort. — „Laß uns jetzt aber“, fuhr er
mit inniger Zärtlichkeit fort, „dieſen böſen Zwiſchen-
fall vergeſſen und dieſen ſchönen Tag durch ihn uns
nicht verkümmern. Der heutige Tag kehrt uns nim-
mer wieder im Leben!“
„Aber andere werden dieſem folgen, die, ſo Gott
will, eben ſo ſchön und köſtlich ſind, als der heutige!“
entgegnete Jenny. ö
Bodo drückte ihr zärtlich die
ruhte lange und innig auf ihr —
„So Gott will!“ wiederholte er bewegt.

Hand — ſein Auge

Vierundzwanzigſtes Kapitel.
Der folgende Tag war ſtürmiſch und trübe — es
regnete unaufhörlich. Auch über dem Antlitz der ſchöö-

nen Gräfin Conſtanze lag es heute wie ein trüber
Schleier. Sorgfältig geſchmückt ſtand ſie an dem Fen-
ſter ihres Salons. — Das Wetter harmonirte mit der
Stimmung ihres Innern.
Ihr Auge ſenkte ſich auf das Zeitungsblatt, das ne-
ben ihr auf dem kleinen Marmortiſche lag, ein bitte-
res Lächeln trat auf ihre Lippen, ſie hatte in demſel-

ben die Verlobungsanzeige Bodo's mit Jenny ge-

leſen. —
„Auch Du biſt zu der Ueberzeugung gekommen, Bodo,
daß Alles vergänglich iſt — Du glaubteſt einſt, Deine
Liebe zu mir würde ewig ſein, und doch haſt Du mich
vergeſſen, doch ſuchſt Du Dich in den Armen einer An-
dern zu tröſten — und ich, die Ungetreue, ich, die Du
verſchmäht, weil ſie einer raſchen Laune nachgab, weil
ſie dem Wunſche der Eltern folgend, auf kurze Zeit ſich
einem alten Manne vermählte — ich trage Dein Bild
noch im Herzen und Alle, die mir liebend und Liebe
begehrend zu Füßen gelegen, haben den Glanz, mit dem
Dein Antlitz für mich umgeben, noch nicht zu verdun;
keln vermocht.“ ö
Bilder aus vergangeuen Zeiten traten vor ihre Seele.
— Das blaſſe Antlitz des jungen Malers, der ihret⸗—
willen ſich den Tod gegeben, ſtarrte ſie mit den gro-
ßen, leidenſchaftlich glühenden Augen an und neben
ihm erhob ſich ein anderes Bild: „Paul“, wie ſie ihn
zuerſt geſehen, friſch und lebensvoll, als ſeine tiefe,
klangvolle Stimme ihr ſympathiſch bis zum Herzen ge-
drungen. — Doch das blühende Antlitz wurde bleicher
und bleicher — er war der Spielball ihrer Laune, ih⸗—
rer Rache geworden, ſeine Jugend war gewelkt, die
Reinheit von ſeiner Stirn fortgeweht und vor ihrem
Ohre tönten wieder und immer wieder mahnend und
ängſtigend die geſtern von ihm ſo ſchmerzvoll ausge-
ſtoßenen Worte: „Ich habe Dir Alles, Alles geopfert,
Du darfſt mich nicht verlaſſen!“ — Und doch wollte
ſie ihn verlaſſen, doch war der Verrath ſchon fertig.

Eben in dieſem Augenblick erwartete ſie den Fürſten,

mit dem ſie heute noch das Verlöbniß ſchließen wollte,
das Paul für immer von ihr trennen mußte. Die
Rache, die ſie beabſichtigt, war ihr gelungen. — Bodo
fand nur noch den Schatten des Mannes wieder, um
deſſentwillen er ſie beleidigt hatte. — Paul war ihr

Opfer geworden — aber würde dieſe Rache nicht auf

ihr eigenes Haupt zurückfallen? — — Doch wozu dieſe
Gedanken — fort mit ihnen! — Der Würfel war ge-
fallen — jetzt hieß es vorwärts! — Wunderbare Fü-

gung des Himmels: Bodo und der Fürſt waren Freunde
 
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