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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 10 - Nr. 17 (4. Februar - 28. Februar)
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jeidelberger

Nr. 10.

Mittwoch, den 4. Februar 1874.

7. Jahrg.

enthen Wittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr.
— * und bei den Trägern.

Einzelne Nummer à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten

Man abonnirt beim Verleger,

Schiffgaſſe 4

Zu ſpät!
Novelle von ⸗Clariſſa Lohde.
(Schluß.)

„Und das können Sie jetzt mit vollem Rechte
agen.“

Antlitz hatte ſich ein lichter Glanz ausgebreitet, es war
die Hoffnung, die ihre ſüßen Weiſen ihm in's Ohr
flüſterte, als er ſich niederlegte.
Am andern Morgen ſchon in früher Stunde mel-
dete bei Paul der Kellner einen Herrn, der ihn zu
ſprechen wünſche.

Paul ließ ihn eintreten. — Eine hohe, kräftige

Männergeſtalt näherte ſich ihm — einen Augenblick
ur Paul ihm ſtarr in's Geſicht — dann öffnete er die
rme:
„Bruder!“ rief er, „Robert!“ — und ſein Auge
wurde feucht vor innerer Bewegung — „ſo habe ich
doch nicht vergeblich gehofft — Du kommſt, Du bringſt
mir Vergebung!“
Robert drückte ihm die Hand. —
„Wir haben geſtern Deine Oper gehört!“ — ſagte
er ernſt. —

Paul zitterte — „Wir, wer iſt außer Dir noch

hier? o ſprich.“
„Käthchen und ihre Mutter!“
„Und der Vater?“ Paul's Augen richteten ſich mit
angſtvoller Frage auf den Bruder. „Und der Vater?“
wiederholte er, als Robert nicht antwortete.
„Der Vaker?“ — Robert hielt inne.
ſeit einem Jahre den ewigen Schlaf!“
„Alſo zu ſpät — zu ſpät!“ rief Paul und bedeckte
das Geſicht mit den Händen.

Sohn nicht ganz verloren, daß er ſeine Hoffnungen
nicht ganz getäuſcht hat — ich ſollte den Kelch bis zur
Neige leeren!“
„Um durch das Leid zur Vollendung zu gehen“,
ſagte Robert tröſtend und nahm des Bruders Hand in
die ſeine. Eine Pauſe entſtand — Paul hob endlich
das gebeugte Haupt.
„Und Käthchen?“ fragte er weiter — „ſie lebt,
Du ſagkeſt, ſie ſei hier?“ ö

— ſie,
ſage mir Alles — darf ich noch hoffen,
Erſt ſpät trennten ſich die Freunde, über Paul's

— „Er ſchläft

„Und er hatte, bevor
er ſtarb, nicht einmal den Troſt, zu wiſſen, daß ſein

„Sie iſt hier!“
„Und ſie, kann ſie dem Elenden vergeben, der ihre
treue Liebe ſo ſchmählich verrieth?“ —
„Sie vergab Dir längſt.“
„Vergab mir längſt?“ — Paul's Stimme zitterte.
„O, Gott, ſo ſoll ich doch noch nicht ganz verloren ſein
ſie vergab mir längſt — und ich babe Jahre
lang vor ihr mich geſürchtet und gezagt. — O, Robert,
darf ich es
wagen, das Paradies meiner Jugend noch einmal zu
begehren? oder komme ich auch hier zu ſpät?“
Robert ſchaute den Bruder mit feſtem Blicke an:
„Faſſe Dich“, ſagte er ernſt. „Käthchen gab meinen
Betten nach, meine treue Liebe rührte ihr Herz — ſeit
mehr als einem Jahre iſt ſie mein Weib. Der Vater

ſegnete noch unſern Bund.“

Paul erwiederte nichts — eine Thräne rieſelte
langſam über ſeine männliche Wange. — „Ich danke
Dir!“ ſagte er dann nach einer Pauſe, „ich danke Dir,
Du haſt recht dethan Du biſt ihrer mehr werth, als

ich — mache ſie g lücklich *

„Sie iſt glücklich!“ —
„So ſei Gott gedankt!“ — er reichte Robert die
Hand.
Robert ergriff dieſelbe und drückte ſie herzlich. —
Er wandte ſich zum Ghen. —
„Vergiß nicht“, ſagte er, noch einmal ſich zu Paul
wendend, „daß Du Geſchwiſter haſt, die Dich lieben,
und die ſich freuen werden, wenn Du zu ihnen
kommſt.“ —
„Ich werde kommen,
Zeit.“
Robert nickte ihm nur noch ſtumm zu — dann ver-
ließ er raſch das Zimmer. Dieſer ſtille wortloſe Schmerz
des Bruders griff ihm an's Herz. ö
Am Mittag deſſelben Tages finden wir im Speiſe-
zimmer des Profeſſor Stark eine kleine, trauliche Ge-

nur laß mir noch ein wenig

ſellſchaft beim Mittagsmahl verſammelt. Jenny be-
wirthete liebe Gäſte, den Fürſten und Paul. — Paul
ſah blaß aus und ernſt — aber er war gefaßt. —

Jenny und der Fürſt wußten bereits Alles.
„Es lebe die Kunſt!“ rief der Profeſſor, als das

Mahl ſich zum Ende neigte, und hob das Glas — „es
lebe die heilige Muſika!“

„Möge ſie durch ihre himmliſchen Gaben Troſt und
Freude Denen ſpenden, die ſich ihr geweiht!“ rief der
Fürſt. ö
 
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