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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 26 - Nr. 34 (1. April - 29. April)
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eidelberger

Nr. 34.

Mittvoc, den 29. April 1874.

7. Zohrd. ö

erſchint üüttüti und Samſtag. Preis monatlich 12 kr.

Einzelne Nummer à 2 kr.

Man abonnirt beim Verleger, Schifaſſe 4

und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Der Mulatte.
Novelle von C. Brunn⸗Gabris.

(Fortſetzung).

Am andern Tage fand ſich Graf Falkenburg zu der
verabredeten Spazierfahrt ein, er merkte, daß Fenno
noch eine Weigerung verſuchen wollte, ſchnitt fie aber
mit ernſten Worten ab.

„Es hilft nichts“, ſagte er, „daß Du Dich ſträubſt

— ich beſtehe darauf, daß du mir den Triumph gönnſt, al-
len Menſchen zu zeigen, daß es mir gelungen iſt, die
Freundſchaft des Beſten zu erwerben.
daß Du dies ſcheu verbirgſt. Bedenke, je eher es be-
kannt geworden, deſto früher werden die geſchwätzigen
Zungen müde werden.
laß morgen ſich Jemand aus dieſen Kreiſen verloben
— und das Thema iſt in der Ordnung, wenn Tags
darauf ein Kaſſirer „durchgeht“, iſt das Andere ſchon
wieder vergeſſen, nur immer neuen möglichſt intereſ-
ſanten Stoff. — Doch, komm nun endlich.“
Eine halbe Stunde ſpäter hatte die ſtaunende Menge
vor dem „Schlößchen im Park“ das Vergnügen, den
Grafen Falkenburg und den Mulatten in der eleganten
Equipage des Erſteren daher kommen zu ſehen. Die
beiden jungen Männer ſtiegen aus und ließen ſich an
einem der Tiſche, die auf dem Platze ſtanden, nieder.
Mehrere Studenten, unter ihnen Baron Bohien, ſaßen
unweit von ihnen.
„Erinnert Ihr Euch noch“, ſagte der Baron zu ſei ·
nen Kameraden, „wie weit Falkenburg die Idee von
ſich warf, daß er, wie ſein Bruder, Wohlgefallen an
dem Mulatten finden konnte — da haben wir's.“
„Du vergißt“, erwiderte derſelbe Student, der ſchon

früher Horſt's Partei genommen, „daß „der Mulatte“

ihm das Leben gerettet hat, und in Folge ſeiner mu-
thigen That ſeleſt dem Tode nahe war.“
„Bah“, erwiderte Bohlen, „er hat vielleicht gedacht,

ſich durch dieſe That in ein großes Licht zu ſetze..
daß man in einem ſolchen Au-
wenn man
ich würde Horſt
nicht ohne Weiteres zum Freunde wählen, indeß er-

„Ich glaube nicht,
genblick überlegt, ob es Vortheil bringt,
ſein Leben wagt. Ich muß geſtehen,

kenne ich ſeine guten Seiten an und würde es unehren-
haft finden, wenn Falkenburg es an Dank fehlen ließe.“
„Der Burſche iſt bettelarm, er lebt von der Gnade
des Mr. Walden — Falkenburg hätte ihm einige hun-

Ich dulde nicht,

Das Neue iſt es, was ſie reizt:

ů dert Thaler ſchenken ſollen, das wäre das richtige 9e⸗

weſen, aber ſich ihm ſo zu alliiren! — Mir wäre das
geradezu unmöglich! — Ein Mulatte und ein Graf!“
Niemand antwortete ihm; waren auch Einige nicht
ganz mit ihm einverſtanden, ſo ſchämten ſie ſich ihres
beſſeren Gefühls und fürchteten, ſich eine Blöße zu ge-
ben, falls ſie es eingeſtanden.
Bohlen erhob ſich und ſchritt mit gleichgültiger

Miene dem benachbarten Tiſche zu.

„Guten Tag, Falkenburg“, redete er den Grafen ö
an. „Man ſieht Dich ja gar nicht mehr. Wieder
wohl auf?“
„Nach den paar Schrammen — die habe ich gar
nicht beachtet; aber mein armer Freund hat genug für
mich ausgehalten.“
Bohlen warf einen flüchtigen Blick auf Fenno.
„Na, ſo eine Natur kann ſchon mehr vertragen“,
ſagte er geringſchätzig.
Graf Falkenburg erhob ſich — dunkle Zornesröthe
ſtieg in ſein Geſicht, doch ein Blick auf Fenno zwang
ihn zur Ruhe.
„Mein Herr“, ſagte er in eiſigſtem Ton zu Bohlen,
„Sie haben wohl die Güte, uns zu verlaſſen; mein
Freund Horſt iſt noch zu angegriffen, um die Unter-
haltung eines Fremden zu vertragen.“
Der Baron ſch ute ihn im erſten Augenblick ver⸗—
blüfft an, und wandte ſich dann mit ſeinem gewöhnli-
chen, nachläſſigen Schritt den andern Freunden wieder
zu. Als er aufblickte, gewahrte er die Walden'ſche
Equipage, in der Miß Walden und Mrs. Leſter ſaßen;
mit der größten Ehrerbietung zog er ſeinen Hut vor

der Erbin und begrüßte ſie mit einer tiefen Verbeu-

gung. ö
Elſinore neigte kaum merkbar mit kalter Miene den
Kopf. Sobald der Wagen hielt, eilte der Graf herbei
um ihr beim Ausſteigen eten flich zu ſein. Sie be-
grüßte ihn freundlich und eilte ſogleich zu Fenno, dem

ſie die Hand entgegenſtreckte, während ſie in herzli-

chem Ton ſagte:
„Sehen Sie, Fenno, da bin ich auch. Mrs. Leſter

wollte ſich kaum bewegen laſſen, mich zu begleiten, ich

wünſchte aber ſo ſehr, Sie hier zu begrüßen, daß ſie
mir nachgeben mußte.“

Fenno hielt ſtumm ihre Hand in der ſeinen, ſein

trauriger Blick fragte: Biſt Du ſo dankbar dafür, daß
ich das Leben des Geliebten rettete?

„Sie ſehen ſo ernſt aus, Fenno! — Das heißt —
ich meine — ernſter als gewöhnlich. — Elſinore ward
 
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