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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 26 - Nr. 34 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44620#0134
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134

geben ihre Gewohnheit verwirrt und zog erbthend ihre
Hand zurück.
Als jetzt Graf Fal kenburg mit Mrs. Leſter herzu-
trat, bat er die Damen, ein wenig zu verweilen.

„Herr Graf“, begann Elſinore mit einem Verſuch

zu ſcherzen, „Fenno macht mir ein ſo bitterböſes Ge.
ſicht,
unerwünſcht.“

„Da habe ich“, widerlegte der Graf, „ihn in den

wenigen Wochen beſſer kennen gelernt, als Sie es in

vielen Jahren lernten: ich glaube Ihnen verſichern zu
ü daß er ſich nur freut.“
Elſinore ſchüttelte trübe den Kopf.
bi „Er hat auch keine Urſache zur Freude“, ſagte ſie
itter.
„Miß“, nahm Fenno jetzt das Wort, „wie können
Sie nur dergleichen denken, ich bin von Herzen froh,
wenn meine Gegenwart Ihnen nicht läſtig iſt; mir ſteht
das Recht gar nicht zu, die Ihre mißfällig zu bemer-
ken, und überdies können Sie ſich überzeugt halten,
daß Ihre freundliche Begrüßung mich ſehr angenehm
überraſchte, wie überhaupt Ihr Kommen.“
Die Damen blieben nur kurze Zeit. Elſinore ſprach
wenig, ſie ſchien trüben Gedanken nachzuhängen. Beim
Abſchied reichte fie Fenno abermals die Hand, als Graf
Falkenburg ſie an den Wagen zurückführte, ſagte ſie
zu dieſem:
ö „Mein Zweck war, Fenno eine kleine Aufmerkſam-
keit zu erweiſen.“
„Ich verſtehe“, antwortete der Graf, „und Sie ha-
ben Ihren Zweck erreicht. Die neugierige Menge hatte
nur Augen für Sie und mußte alſo genau bemerken
wie Sie Fenno begegneten. Nicht wahr, Sie haben
Ihr Vorurtheil vollkommen beſiegt?“
„Ich kann nicht „Ja“ und nicht „Nein“ ſagen“,
entgegnete Elſinore mit gepreßter Stimme. Im Vor-
beifahren winkte ſie Fenno noch einmal freundlich grü-
ßend zu.

VI.

Graf Falkenburg und Fenno ſaßen in einem Zimmer
der Wohnung des Erſteren am Fenſter. Fenno war
nun vollkommen geneſen, doch ſchien ſich ſeinem ſonſti-
gen Ernſt eine nachhaltige Traurigkeit zugeſellt zu ha-
ben. Er ſtarrte oft, in trübes Sinnen verloren, vor
ſich hin und Falkenburg mußte manche Frage zweimal
wiederholen, ehe Fenno nur wußte, daß er angeredet
ward. Im Verkehr, oder vielmehr im Nichtverkehr mit
andern Menſchen war er derſelbe geblieben, unnahbar,
unberührt wie immer, begegnete er jeder Mißachtung
mit edlem Stolz. Vor Kurzem hatte er ein glänzen⸗—
des Examen gemacht, und der junge Doktor Horſt, der

Schützling und Liebling des Profeſſor Schucker ſing an!

einen Ruf zu gewinnen als tüchtiger und geſchickter
Arzt.
Armen; ſonderbarerweiſe verſchmähten aber auch die
Vornehmen, die ihn als Menſchen mißachteten, ſeine
ärztliche Hülfe nicht — man wußte nicht: geſchah es
Nauf Empfehlungen des Profeſſors, oder hatten einige 1

daß ich fürchten muß, unſere Gegenwart iſt ihm

Namentlich war er ein Freund und Helfer der

ganz in den Anfang ſeiner Praris fallende glückliche
Kuren dazu beigetragen, daß man Vertrauen zu ihm
faßte, oder war es das „Neue“.
„Du wirſt erleben“, begann der Graf wieder, „in-
dem er ſich eine neue Cigarre anzündete, „daß man
Dich eines Tages als den beliebteſten Arzt neben den
Profeſſor Schucker ſtellt.“
„Niemals“, entgegnete Fenno, „es iſt der erſte An-
lauf, das Neue. Jeder will den Mulatten ſehen, der
es waͤgte, ſich als ein Gleichberechtigter unter die civi-
liſirte Geſellſchaft zu miſchen, dem es gelang, das Dok-
tor-Diplom zu erwerben. Sobald der Glanz, der Reiz
der Neuigkeit dahin iſt, wird das Intereſſe ver;
ſchwinden.“
„Nun, da weiß ich einen guten Rath“, ſcherzte der
Graf, „ſobald man hier anfängt, lau zu werden, be-
giebſt Du Dich nach einer andern großen Stadt und
durchziehſt ſo ganz Europa, Du wirſt dann bald Dei-
ſeh Ruhm ſich auf den ganzen Welttheil erſtrecken
ehen.“
Fenno zog düſter die Stirn zuſammen.
„Wie ein Charlatan von Ort zu Ort ziehen. Mich
wundert nur, daß Du mir nicht vorſchlägſt, meine Bude
auf Meſſen und Märkten aufzuſchlagen und dann mit
großem Pomp verkünden zu laſſen: hier heilt der be-
rühmte Mulattendoktor alle Krankheiten und Ge⸗—
brechen.“
„Fenno! Wie ungerecht bitter Du wirſt um meines
Scherzes willen! Ich ſagte ja, wenn man hier anfängt
lau zu werden; denn, Freund, ich habe die feſte Ueber-
zeugung, es wird nicht dahin kommen, ſondern Dein
Ruf und Ruhm wird wachſen und mit ihm werden Dir
täglich neue Patienten zuſtrömen.“
Der junge Arzt ließ den Kopf in die Hand ſinken.
„Wenn meine Eltern das noch erlebt hätten!“ mur-
melte er.
„Du haſt mir nie von deiner Jugend erzählt“, fiel
Graf Falkenburg ein, „ich möchte wohl Deine früheren
Lebensſchickſale kennen lernen, das heißt, Fenno, wenn
Du mir ſo viel Vertrauen ſchenken willſt.“
„Gewiß, Friedrich — Du mein einziger, lieber
Freund! — Mein Leben war traurig genug, doch ſollſt
Du Alles wiſſen. — Meine Mutter war eine freie
Schwarze, die mein Vater — deſſen Vater ein Deut-
ſcher und deſſen Mutter eine Creolin geweſen war —
in New⸗York kennen lernte.“ ö

(Fortſetzung folgt.)

Pfaffen und Weiber.
Schlaß.)
Von dem Fortgang der werblichen Emanzipations-

bewegung iſt ein künftiges fraulich⸗pfäffiſches Bündniß
nicht zu befürchten, weil gerade die Bedingungen, welche
 
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